Zeit der Geheimnisse: Wer entdeckt die 7 Wichtel am Teich?

Die Zeit der Weihnachtstage und der Raunächte ist eine Zeit der Wunder und Geheimnisse. Viele Geschichten ranken sich um Mythen, um das Unfassbare und Erstaunliche, wie es in vielerlei Bildern und Figuren seinen Ausdruck findet – in den christlichen wie vorchristlichen Erzähltraditionen des Nordens.

Rund um den Tremser Teich am nördlichen Stadtrand von Lübeck haben sich diese Tage sieben Wichtel versteckt. Wer sie entdeckt, möge freundlich mit ihnen umgehen: Mitnehmen oder Verschenken ist erlaubt. Man kann sich aber einfach auch dort an ihnen freuen, wo sie sind oder für sie einen anderen schönen Platz in der Natur suchen, an dem andere Kinder sie dann vielleicht wiederfinden. Oder man kann anfangen, Geschichten mit ihnen bzw. von ihnen zu erzählen…Auch hätten die geselligen kleinen Wichtel nichts gegen weiteren Wichtelbesuch – Naturwesen wie sie*! Denn in der Natur sind sie zuhause, mit der Natur sind sie im Einklang und wenn sie irgendwann von ihrem Platz am Baumstumpf oder im Moos verschwunden sind, haben sie vielleicht einen Weg zurück ins Erdreich gefunden.

Die kleine Aktion wurde u.a. angeregt durch einen Austausch zwischen der Initiative natur.erleben.vorwerk und Kindern der Schule am Tremser Teich, die sich in den Herbstferien Gedanken dazu gemacht hatten, was sie sich für die Natur und Landschaft um den Tremser Teich alles wünschen und vorstellen könnten…Weniger Müll und schönere Plätze zum Verweilen und Spielen steht u.a. ganz oben auf der Wunschliste der Kinder. Aber auch die Idee, z.B. mit Kürbissen im Herbst oder mit Sternen in der Weihnachtszeit die Wegränder und Bäume zu schmücken – kurzum: im Wechsel der Jahreszeiten kleine Überraschungsmomente zu finden, die einfach Freude machen. Vielleicht können in diesem Sinne nun die 7 Wichtel dazu beitragen?

 *Bei den Wichteln am Tremser Teich handelt es sich um gesammelte Ostseekiesel, die einfach mit umweltfreundlichen Buntstiften (ohne Lackierung, Kunstoff, Klebstoff o.ä.!) bemalt wurden.

 

Exkurs: Kleine Zwergenkunde für die Winterzeit

Wichtel, Tomte, Nisse, Elf, Kobold, Zwerg & Co. – mit vielerlei Namen und Eigenschaften  durchziehen die kleinen Naturgeister mit roter Mütze vor allem die nordische Mythologie und Folklore. Die meisten kleinen Gesellen gelten als stark und hilfsbereit. Nur wenn man nicht gut mit ihnen umgeht und z.B. vergisst, ihnen ein Tellerchen Weihnachtsgrütze hinzustellen, können sie auch schon mal ungemütlich werden.

Die ursprünglichen Vorstellungen, die sich um die Naturgeister mit Zipfelmütze ranken, haben sich vermutlich seit vorchristlicher Zeit über die Jahrhunderte verbreitet, vermischt und in vielen Facetten weiterentwickelt. Mit der Aufklärung im 18. Jahrhundert verschwand ein Teil des Aberglaubens, aber die Märchensammlerinnen und Volkskundler des 19. Jahrhunderts regten das Erzählen mit den niedergeschriebenen Geschichten erneut an.

So wurde Ende des 19. Jahrhunderts und bis ins 20. Jahrhundert hinein eine literarische Tradition über die Zwerge geschaffen, in der sie allerdings eher vereinfacht, stereotypisiert und an die Bedürfnisse der neueren Zeiten angepasst wurden.

An vielen Orten in Norwegen wurde es z.B. zur Tradition, dass ein eher kleinwüchsiger Weihnachtsmann auf dem Bauernhof oder in der Scheune Geschenke für die Kinder in Strümpfen hinterlegte, die in der Nacht vor Heiligabend aufgehängt wurden, oder in den Schuhen, die sie am Heiligabend tragen sollten. So zeigt eine norwegische Weihnachtskarte von 1883, gezeichnet von Wilhelm Larsen, den Weihnachtsmann als kleinen grau gekleideten Mann mit roter Mütze.

Als Lebensräume der kleinen Wesen gelten traditionell Scheunen, Ställe oder das Erdreich unter denn Gebäuden. Ebenso wird aber immer wieder auch ihr Vorkommen in der Natur beschrieben, vor allem in alten Bäumen, Wurzelhöhlen oder Bergen. In etlichen Erzählungen aus dem Norden erweist sich der Kobold zudem als seetüchtig und geht auch schon mal auf einem Boot mit auf Reisen.

 

Respekt üben vor den Zusammenhängen in Natur und Mitwelt

 Insgesamt stehen die kleinen Wesen ihrem Ursprung nach der Natur näher als der menschlichen Kultur. Und gerade in Landschaften, die stark von Naturgewalten geprägt sind, schenkt man dem rätselhaften Wirken der kleinen Wesen bis heute durchaus Respekt – was in guter Weise dazu beiträgt, menschliche Eingriffe in die Natur mit einer gewissen Umsicht und Zurückhaltung zu planen. Denn nicht alles, was Menschen nach ihren eigenen Bedürfnissen gestalten und verändern möchten, tut der Mitwelt mit allem, was zwischen Himmel und Erde zusammenwirkt, ebenso gut.

Wo die kleinen Naturgeister also an eine Tradition erinnern, die von einer solchen Rücksichtnahme in der Beziehung zur Mitwelt geprägt ist, kann die Fantasie und Vorstellungskraft vielleicht eine Brücke schlagen zu einem achtsamen Verständnis für reale ökologische Zusammenhänge.

 

30 Jahre Naturgeschichten und -lieder – die Entwicklung von waldworte.eu

Dieser Beitrag steht am Anfang einer kleinen Reihe von Beiträgen zum Jahreswechsel 2024/2025 unter dem Motto „30 Jahre Publikationen zur Naturverbindung“Denn auch ein Zwergenspiellied aus dem Jahr 1995, mit MC erschienen in „Bärenstark und mauseschlau“, wie auch eine naturverbundene Zwergengeschichte unter dem Titel „Als der Wald noch jung war“ – erstmals erschienen vor 20 Jahren in dem Buch „Geheimnisvoll & zauberhaft. Geschichten und Gedichte zur Sprachförderung“ bei Don Bosco 2005 in München – gehören in die Entwicklungsgeschichte vielfältiger Ideen, Projekte und Inspirationen zur Verbindung von Erzähltraditionen und Naturerleben, die seither auf vielerlei Weise und an verschiedenen Orten in der Praxis erprobt, auf waldworte.eu  mit weiteren Ideen ergänzt, geteilt oder durch Verlage publiziert wurden.

Dazu hier zum Thema „Zwerge in der Natur“ folgende Beiträge:

Zahlreiche Kontakte, Austauschmöglichkeiten und Vernetzungen haben die Weiterentwicklung bis heute begleitet. Fortsetzung folgt….

Das Rabengeheimnis. Eine Geschichte für Wintertage und Raunächte

Susanne.brandt

Bedenkt und entdeckt das Leben in Lübeck oder unterwegs - am liebsten zu Fuß und in der Begegnung mit anderen. Lernt, schreibt, singt, erzählt, teilt und lässt sich jeden Tag vom Möglichen überraschen. Weitere Informationen: https://de.wikipedia.org/wiki/Susanne_Brandt