Mit Geschichten aus vielen Ländern im Gepäck unterwegs

Engagement und Ideen brauchen einen weiten Horizont und den Blick über sich selbst und die gewohnte enge Perspektive hinaus. Das gilt auch für alles, was mit Kinderliteratur geschieht und durch Sprache, Bilder und Fantasie mit und bei Kindern lebendig wird.

Ich möchte sie nicht missen – all die Inspirationen, die durch Reisen, durch Austausch und persönliche Begegnungen mit Menschen aus verschiedenen Teilen der Welt vor allem im beruflichen Kontext seit Mitte der 1980er Jahre geschehen können. Auch wenn dabei oft nur ein ganz kleiner Ausschnitt von der kulturellen Vielfalt eines Landes offenbar wird –  schon kurze, aber intensive Eindrücke liefern manchmal entscheidende Impulse zum Weiterdenken, machen neugierig auf  ganz andere Blickrichtungen:  für die eigene Erzählpraxis, für das eigene Schreiben wie für das Verständnis vielfältiger Geschichten.

So habe ich das Gefühl, aus einem Rucksack, gefüllt mit Geschichten, Anregungen und Impressionen, die in rund 20 Ländern der Welt ihren Ursprung haben, kreativ schöpfen zu können – ein (ge-)wichtiges Gepäck mit beflügelnder Wirkung!

Begegnen, austauschen, anregen, weiterentwickeln… – ein persönlicher Reise- und Werkstattbericht

Der folgende (und laufend ergänzte) Rückblick auf 30 Jahre Inspirationen und Austauschchancen weltweit rund um Kinderbücher und Geschichten erzählt davon – mit Erinnerungen an rund 20 Reisen und internationalen Begegnungen aus dieser Zeit, die für mich von besonderer Bedeutung waren und bleiben: Eher intuitiv habe ich dabei ganz verschiedene, oft zufällige Eindrücke aufgenommen, tief berührende Gespräche erlebt, zugehört, nachgefragt, manches ausprobiert, verworfen, variiert…immer mit einer Ahnung davon, dass es von Menschen und von unserem Leben nah und fern nie nur eine Geschichte geben kann:

Die Schriftstellerin Chimamanda Ngozi Adichie stellt in ihrer so wichtigen Rede fest:

„Das Problem mit Klischees ist nicht, dass sie unwahr sind, sondern dass sie unvollständig sind. Sie machen eine Geschichte zur einzigen Geschichte (…) Geschichten sind wichtig. Viele Geschichten sind wichtig. Geschichten wurden benutzt um zu enteignen und zu verleumden. Aber Geschichten können auch genutzt werden um zu befähigen und zu humanisieren. Geschichten können die Würde eines Volkes brechen. Aber Geschichten können diese gebrochene Würde auch wiederherstellen. (…) Wenn wir realisieren, dass es niemals nur eine einzige Geschichte gibt, über keinen Menschen und keinen Ort, dann erobern wir ein Stück vom Paradies zurück.“

Mit diesem Respekt vor den so vielfältigen Geschichten aus aller Welt, mit dieser Lust am Staunen, Neu-Entdecken, Zuhören, Ausprobieren und Verändern reise ich, kehre zurück und mache mich wieder auf den Weg…irgendwann. Und ganz oft in Gedanken…

 

1. Sibirien (1990): Glasnost und unendliche Weite in Zeiten des Aufbruchs

Kemerowo im Kusnezker Kohlebecken, Nowokusnezk und Nowosibirsk – der erste Eindruck von Sibirien war anders als alle Klischees von endlosen Wäldern und Seen, die man mit dieser Region der Erde verbinden mag: graue Industriestädte und Begegnungen, die geprägt waren von einer Mischung aus Verunsicherung, Anspannung und Freude über den Besuch einer Gruppe von jungen Erwachsenen aus Deutschland – mit viel Nichtwissen übereinander auf beiden Seiten.

Gespräche waren schwierig und nur mit Dolmetschern möglich. Also schauen, staunen, hören auf die Musik, der Geschmack von Salz und frischem Brot zur Begrüßung – geschärfte Wahrnehmung mit angespannten Sinnen.

Und dann doch: eine Fahrt hinaus mit dem Schiff auf dem Fluss. Wir lassen die großen Städte hinter uns. Birkenwälder säumen das Ufer. Nach langer Zeit legen wir an, werden durch eine Wildnis geführt, stehen irgendwann vor langen Tischen im Freien, gedeckt mit allem, was die Gärten hergeben. Daneben eine Hütte und eine Sauna.

Ich werde die Bilder dieser Landschaft nicht vergessen. Ich habe immer wieder an sie denken müssen – später, als ich anfing, mich für die Bilderwelten in russischen Märchen zu interessieren, verstehen wollte, wo diese Bilder ihre Wurzeln haben. In den Antiquariaten der neuen Bundesländer habe ich oft nach solchen Sammlungen mit russischen Naturmärchen gesucht, einiges davon später aufgenommen in dem Buch „Was macht das Licht den ganzen Tag?“. Vielleicht nicht frei von Klischees – wer könnte das nach einem so kurzen Besuch in einem so weiten Land schon sagen. Aber voller Staunen und Dankbarkeit. Für diese erste richtig große Reise in meinem Leben. Ein Aufbruch…

 

2. Frankreich (1992):  „Mit ZWEI dabei“ – Bücher für die Allerkleinsten

Welche Bedeutung haben Bücher für Kinder unter drei Jahren? Wie verbinden sich Musik, Sprache und Bewegung dabei? Was entwickelt sich auf dem Kinderbuchmarkt für diese Zielgruppe? Und wie sieht die Vermittlung in der frühen Phase der Sprachentwicklung aus?

Mit diesen Fragen nahm  ich 1992 an  einer Studienreise nach Frankreich teil, um in Paris die Arbeit mit Büchern für Kleinkinder kennen zu lernen, die dort schon damals mit Einrichtungen wie dem „Bébé-Bus“ zum breit ausgebauten Angebot der Öffentlichen Büchereien gehörte. Als Ergebnis der dort gesammelten Erfahrungen konnte 1994 das Buch „Mit ZWEI dabei“ erscheinen, das  – lange vor  Kampagnen wie „Lesestart“ –  den deutschen Kolleginnen und Kollegen erste Ideen und Kinderbuchbeispiele für Schoßkinderprogramme in öffentlichen Bibliotheken vorstellte. Mein Anteil an dieser Publikation widmete sich dem Thema „Hören, Singen, Bewegen – Musik für Kleinkinder, das mich seit Paris begleitet. Parallel zu dieser Fachveröffentlichung entstand die Idee, Kinderlieder und musikalische Märchen für diese Zielgruppe zu schreiben. Ein Jahr später erschien die Sammlung „Bärenstark und mauseschlau“ beim Don Bosco Verlag.

 

3.  Island (1992): Magie einer Landschaft – die Natur als Märchenbuch

Wer weiß, ob in den Höhlen nicht doch die Trolle wohnen? Im Rahmen einer Städtepartnerschaft zwischen Cuxhaven und Hafnarfjordur erhielt ich als Bibliothekarin Anfang der 1990er Jahre Gelegenheit, an einem Austausch zwischen den beiden Städten teilzunehmen, die dortige Bibliothek zu besuchen, vor allem aber eine Ahnung davon zu bekommen, warum es wohl nirgendwo sonst auf der Welt proportional zur Einwohnerzahl so viele Schriftstellerinnen und Schriftsteller gibt.

Es wird erzählt, dass die isländischen Kinder mit 13 Weihnachtsmännern aufwachsen und auf jeden 500. Einwohner ein Geist kommt. Da fällt es nicht schwer, sich vorzustellen, warum dieses Land so reich ist an Geschichten über Elfen, Werwölfen und allerlei Wunderwesen. Von Menschen wurden und werden die Geschichten weiter erzählt. Geboren aber sind sie – so möchte man meinen – aus der unbändigen Kraft der Natur.  Natürlich bekommt man Lust, den Kindern in Deutschland anschließend mit  Märchen und Sagas etwas von der Magie der Landschaft und des Lichts zu vermitteln, die sich mir eingeprägt hat wie ein großes Bilderbuch. Sensibilisiert wurde ich hier in Island einmal mehr für die geheimnisvolle Beziehung zwischen Literatur und Natur, der ich in den folgenden Jahren immer weiter auf die Spur kommen wollte. Ein Anfang…

 

4. Kurdische Fabeln für deutsche Kinder (1995): Eine Begegnung mit Nazif Telek

Die Würde und Achtung für jedes Leben war ihm wichtig. Davon versuchte er zu erzählen und zu schreiben, in deutscher wie in kurdischer Sprache. 1995 war der Autor Nazif Telek (1957-2007) bei mir zu Gast und brachte für die Kinder in Cuxhaven die Geschichten seiner kurdischen Heimat in zwei Sprachen mit – vor allem aber die Vision eines Lebens in Würde und mit Achtung füreinander. Vieles davon hat er selbst von seinem Großvater so erzählt und vermittelt bekommen. Und mit uns geteilt. Auch später noch, am Tisch bei mir zu Hause mit Freunden. Bis in die Nacht hinein. Seine zweisprachig erschienene kurdische Fabel „Die Stärke der Löwin“ (1994) trägt als Widmung den Satz „Ein Löwe ist ein Löwe. Egal ob Mann oder Frau“.  Er selbst sah sich wie „ein Baum mit kurdischen Wurzeln, türkischem Stamm und deutschen Ästen“. Die Zahl seiner Veröffentlichungen ist klein geblieben.

Er starb bereits 2007. Ein Text von ihm hat mir als Vorlage gedient für einen Friedenskanon, der – gesungen mit Kindern wie mit Erwachsenen – bis heute etwas von seinen Bildern und seiner Poesie nachklingen lassen möge. Er wurde aufgenommen in das Kapitel zum interreligiösen Dialog in dem Kamishibai-Praxisbuch „Religion entdecken mit Bildern und Geschichten“

 

5. Niederlande (2004-2009):  Erzählen mit Kamishibai

Bei dem niederländischen Geschichtenerzähler Marco Holmer habe ich sie etwa 2004 erstmals kennen gelernt: die Kunst des Erzählens mit dem Kamishibai-Erzähltheater.  Er stellte uns nicht nur die vielfältigen spielerischen Möglichkeiten in Verbindung mit dem freien Erzählen vor, sondern auch das einfache Bühnenmodell zum Nachbauen von Jouke Lamers mit der Öffnung nach oben – anders als viele andere Bühnenmodelle mit seitlicher Öffnung ( s. zu J. Lamers und seiner Bühne in Holland auch: https://projektarbeiten.bvoe.at/MitschanJosef.pdf)

Niederländische Bibliotheken setzten Kamishibais damals bereits seit vielen Jahren ein. Ich konnte nach der Begegnung mit Marco Holmer in Westoverledingen/Ostfriesland erste Erfahrungen mit dieser Art des bildgestützten Erzählens sammeln, fing damit an, eigene Kamishibai-Geschichten zu schreiben und erlebte später  – vor allem ab 2011 in Schleswig-Holstein – wie sich das Erzählen mit Kamishibai in der Praxis von Bibliotheken in Deutschland weiter ausbauen und immer wieder mit neuen Entdeckungen und Erfahrungen variieren und weiterentwickeln ließ.

 

6. USA (2006):  Wild about booksund Nature stories“ 

Menschen brauchen Bücher und Geschichten zur Vergewisserung der eigenen Identität und Herkunft.  Was in Zeiten der Einwanderung und des Zusammenlebens verschiedener Kulturen eine besondere Kraft und Bedeutung entfalten kann, wird – so mein Eindruck – bis heute in den USA mit einer großen Selbstverständlichkeit und Kompetenz im Alltag gepflegt: das mündliche Erzählen.  Eine weitere Studienreise führte mich 2006 dorthin, um diese Erzählkultur in Bibliotheken wie im Alltag zu erleben.

Was ich nach dieser Reisen an Geschichten und Kinderbüchern im Gepäck hatte, wurde zu Hause übersetzt oder nachgedichtet, um etwas davon den Kindern in Deutschland weitergeben zu können – mit erstaunlicher Wirkung. Die gereimte Nachdichtung der turbulenten Bücherbus-Geschichte „Wild about books“ wie auch die deutsche Übersetzung von „Das beste Bett“ und zahlreichen „Natur stories“ zählen bis heute zu jenen Vorlese- und Erzählstoffen, die Kinder hierzulande immer wieder gern hören, variieren und spielerisch entfalten – einfach, weil sie mit allen bewährten Eigenschaften für das lebendige Vorlesen und Erzählen ausgestattet sind.

Das Thema „Naturgeschichten“ – in Sibirien und Island mehr als zehn Jahre zuvor bereits angestoßen – erfuhr durch den USA-Aufenthalt weitere Impulse, die in den Folgejahren mit dem Egon-Naturgeschichtenprojekt in Ostfriesland und dem dazu erschienenen Praxis-Buch „Erzählen und Entdecken“ zur Umsetzung kamen. Noch mehr als 10 Jahre später konnten Geschichten daraus – dann wiederum in Verbindung mit Bildern für Kamishibai – beim Agenda 2030-Projekt zum Einsatz kommen.

 

7. Polen (2010): Bibliotherapie und Janusz Korczak – von der heilsamen Kraft der Geschichten

Eigentlich sollte die trinationale Begegnung in Masuren mit Kollegen aus Deutschland, Polen und Belorus „nur“ der Entwicklung von Bibliothekskonzepten für ländliche Räume dienen – da sprang mir auf der Reise durch polnische Bibliotheken mehr als einmal ins Auge, dass das Thema Bibliotherapie dort in der Fachliteratur und Öffentlichkeit offenbar einen deutlich breiteren Raum einnimmt als bei uns. Nach Deutschland zurückgekehrt, halfen mir Übersetzerinnen dabei, dieser Beobachtung näher auf den Grund zu gehen und weitere Kontakte nach Polen zu knüpfen. Das Ergebnis der Nachforschungen war 2011 ein deutsch-polnischer Kongress in der Phantastischen Bibliothek Wetzlar, für den ich einen weiteren Akzent aus Polen in einem Vortrag mit dem Thema verbinden und als Buch weiter ausarbeiten konnte: Janusz Korczak…

Vgl. dazu: http://waldworte.eu/wp-content/uploads/2013/04/Vortrag-Wir-geben-euch-Sehnsucht.pdf

 

8. Gemeinsame Projekte mit der „Bücherei-Schwester“ in Serbien (seit 2010): Bilder als Brücke über Sprachbarrieren hinweg

Wie können Kinder aus Deutschland und Serbien in einen Austausch miteinander kommen? Wie können Kinderbücher dabei zur Brücke werden, obwohl die Kinder keine gemeinsame Sprache haben? Oder doch? Es ist vor allem die Sprache der Bilder, die im Rahmen des Sister Libraries Projekt der IFLA an Bedeutung gewinnt:

beim Austausch von Ergebnissen aus gemeinsamen Kreativ-Projekten, Minibücher-Tauschaktion mit serbischen Kindern, bei geteilten Erfahrungen mit der Natur hier wie dort wie auch beim  gemeinsamen „Lesen“ von Bilderbüchern ohne Worte. Beim Bibliothekskongress in Berlin ergab sich schließlich 2011 auch die Gelegenheit der persönlichen Begegnung mit der serbischen „Bibliotheks-Schwester“ Daniela Skokovic – und wir bleiben gespannt auf das, was wir weiterhin miteinander entdecken, um uns gegenseitig in unserem Engagement für Kinderliteratur anzuregen.

2015 konnten wir den Austausch mit einem gemeinsamen Vortrag in Nürnberg zum Thema Kinderrechte fortsetzen.

Und auch in den Folgejahren haben sich immer wieder spannende Möglichkeiten des Austausches und der Zusammenarbeit ergeben:

Fragen, lesen, denken, malen, singen….oder: Zukunft braucht Inspiration durch Kunst und Kultur

http://www.bz-sh-medienvermittlung.de/mit-woertern-bruecken-schlagen-deutsch-serbisches-erzaehlprojekt-zum-tag-der-erde/

 

9. Begegnung mit Kolleginnen aus der Schweiz (2011): Nochmal Kamishibai – wie Bibliotheken damit arbeiten können

Nachdem der Niederländer Marco Holmer mein Interesse an der Kunst des Erzählens mit Kamishibais geweckt hatte, lernte ich 2011 bei einer Veranstaltung an der HdM in Stuttgart von den Kolleginnen aus der Schweiz, wie dort über https://www.bibliomedia.ch/de/kamishibai/ das Verleihsystem der Bildkartensätze im Verbund funktioniert – ein Modell, das uns Monate später bei der Umsetzung für Schleswig-Holstein weiterhelfen konnte und weitere Anregungen lieferte für das im Folgejahr erschienene Fachbuch mit vielen Beispielgeschichten zum Erzählen mit Kamishibai.

 

10. Dänemark (2012/2020): „Offen sein, Möglichkeiten entdecken und keine Angst haben, alte Gewohnheiten zu durchbrechen“  – die Kinderbibliothek als Ort der Kunst, der Fantasie und der Wunder

Von Flensburg aus wird Dänemark kaum als Reise oder gar Ausland empfunden – so nah sind uns hier die nördlichen Nachbarn und so deutlich steht uns all das Vorbildliche vor Augen, das einem in Dänemarks Bibliotheken begegnet.

Besonders beeindruckt hat mich hier u.a. ein Ansatz, der auf das kreative und fantasievolle Miteinander der Künste setzt. Jim Höjberg aus der Kinderbibliothek Vejle hat mir davon sehr anschaulich erzählt: Vertrautes und Überraschendes originell in der Bibliothek miteinander zu verbinden und lebendig werden zu lassen, ist sein Anliegen, das in vielen kunst- und theaterpädagogischen Angeboten seinen Ausdruck findet.

We call it an “artistic children’s library”. By artistic we mean that you have to be open, see possibilities, and not be afraid to break old habits”, beschreibt Jim Höjberg den Ansatz. Die Bibliothek als Ort zum Staunen – dafür braucht es gar nicht immer große Investitionen, sondern ein paar pfiffige Ideen und vor allem Mut zur Fantasie  und zu unkonventionellen Lösungen.

 Zum Weiterlesen: http://jim.vejlebib.dk/wp-content/uploads/2012/08/The-Artistic-Children-I.pdf

Ähnlich habe ich es erleben können bei einem Besuch 2020 in der Bücherei von Faaborg mit ihren vielen originellen und liebevollen Details – und ihren Ideen zum Themenjahr „Natur“: https://fmbib.dk/nyheder/vild-og-vidunderlig-tag-naturen-med-hjem-fra-biblioteket

Die Reise nach Fyn gab zugleich Anlass für einen ausführlichen Besuch nach Odense auf den Spuren von Hans Christian Andersen:

Themen und Variationen zum Erzählen von und mit Hans Christian Andersen

Im Jahr 2021 entstand bei einer Reise durch Djursland der Zyklus #7 Tage – 7 Zeilen:

https://waldworte.eu/category/aus-der-eigenen-werkstatt/7tage-7zeilen/

Und last but not least: Nicht denkbar wäre das Buch „Flaschenpost von Puk“ ohne den Nis Puk als Märchenfigur aus dem deutsch-dänischen Grenzgebiet, der hier einem Mädchen Einblicke schenkt in die Märchenwelt des Ostseeraumes.

 

11. Finnland (2012): Mumins machen Mut

Die Mumins gehören nicht nur zu den bekanntesten Kinderbuchfiguren Finnlands, sie scheinen auch gewisse Eigenschaften zu verkörpern von jenem Land, in dessen Kultur, Alltagsleben und Bibliotheken eine angenehme Mischung aus Gelassenheit, Individualität und Gemeinsinn spürbar wird und sich mit der Stille der weiten Landschaft verbindet.

Die Geschichte der finnischen Kinderliteratur durfte ich hier kennen lernen –  vor allem aber die Offenheit, mit der die Bürgerinnen und Bürger in Helskini „ihre“  Bibliotheken nutzen und mitgestalten können.

Ein weiteres Beispiel aus der finnischen Kinderliteratur, das mich seither als mögliche Vorlage für das Erzählen mit Kamishibai und Erzählschien beschäftigt, ist die Geschichte (in englischer Übersetzung) „Lullaby of the Valley“ von Tuula Pere aus dem interessanten Programm des Verlags – auch eine Mutmach-Geschichte!  www.wickwick.fi.

 

12. Tschechien (2012):  Besuch bei der Illustratorin Martina Spinkova  

Seit 2002 verbindet uns ein gemeinsames Buch, seit 2012 auch eine gemeinsame Begegnung in Prag: Martina Spinkova ist mehr als eine Bildkünstlerin – sie ist auch eine Lebenskünstlerin, die in ihrem Engagement für Hospizarbeit die Begegnung mit dem Tod nicht scheut, sondern in ihrer offenen und warmherzigen Art als Teil des Lebens annimmt.  Wir teilen das Staunen über gelungene Neuerscheinungen zum Thema wie zum Beispiel das Bilderbuch „Papas Arme sind ein Boot“. Gut könnten wir uns vorstellen, auch mal wieder ein gemeinsames Kinderbuch zu machen. Bis es dazu kommt, bleibt uns der Austausch zu den Bildern des Lebens und des Todes in Kinderbüchern dort wie hier…

Mehr zu Martina Spinkova: http://www.spinkova.cz/?lang=de

 

13. Begegnung mit Wendy Cooling aus England (2013): „Erzählt nicht nur ÜBER Geschichten – erzählt auch MIT Geschichten!

 In England ist sie als Autorin und Herausgeberin bekannt – und als Mutter der inzwischen weltweit verbreiteten „Bookstart“-Programme. Bei der Internationalen Konferenz „Prepare for Life“ in Leipzig 2013 hatte ich Gelegenheit, ihr persönlich zu begegnen. Glücklich gemacht hat sie mich als Zuhörerin meines Vortrags mit einem Kompliment: Es gefiel ihr, dass ich nicht allein über Geschichten und das Erzählen in der Theorie referiert hatte, sondern meinen Vortrag selbst mit einer erzählten Geschichte enden ließ (eine von denen, die ich aus den USA mitgebracht hatte).

Darauf sprach sie mich später noch mal an. Schnell waren wir uns einig: Wer Geschichten für Kinder vorliest und erzählt, muss das aus vollem Herzen tun. Erst dann wird die Vermittlung wirklich authentisch – und das tut auch einem Vortrag gut. Einig waren wir uns auch darin, dass der bunte Geschichtenschatz der Welt immer und überall Orte und Zeiten für das lebendige Erzählen braucht. Bücher, die Mosaiksteine eines solchen Schatzes in sich tragen, helfen dabei.
 

14. Impulse aus Italien (2013/2015/2019): Musik und Sprache, Poesie und die Sinnlichkeit bei Franziskus gehören zusammen – von Anfang an

Ebenfalls bei der Internationalen Konferenz in Leipzig kam es zu einer interessanten Wiederbegegnung mit Ansätzen der Leseförderung in Italien – nicht allein im Austausch mit den Kollegen aus Südtirol, sondern vor allem durch Anregungen für eine deutlichere Verknüpfung von Sprache und Musik in der frühkindlichen Leseförderung.

Was mir seit der Veröffentlichung zu Musik bei Schoßkinderprogrammen (1992) ein Anliegen ist und in „Lauschen und Lesen“ (2009) seine Fortsetzung gefunden hat, kommt dort durch eine konzeptionelle Kooperation zwischen Initiativen der Sprach- und Musikerziehung konsequent zur Umsetzung. Unterstützt von Empfehlungen zu Medien und Methoden der Vermittlung wird deutlich: Musik wohnt in der Sprache, Sprache wohnt in der Musik und aus beiden zusammen wird Poesie geboren. Ein Beispiel, wo etwas von diesem Empfinden einen besonderen künstlerischen Ausdruck findet, ist das Buch „Gocce di voce“:  http://www.webalice.it/tognolini/doc/gocce.pdf

Es weckt einmal mehr meine Lust, die Kunst der Nachdichtung auch aus dem Italienischen zu üben, um zu sehen, was von der Musikalität dieser Sprachkunst vielleicht auch im Deutschen zum Klingen kommen könnte.

Daneben lieferten diese Ansätze aus Italien ein Vorbild für die Wissensbox „Musik entdecken“, wie auch für Seminare und Vorträge, die vor allem 2014 im Mittelpunkt meiner Arbeit bei der Büchereizentrale Schleswig-Holstein stehen.  Mein Anliegen dabei ist es, die aus Italien gewonnenen Impulse für eine Verbindung aus Sprache und Musik noch deutlicher als bisher auch in Deutschland wirklich in der Praxis ankommen zu lassen.

Und einige Jahre später (2015) bekam bei einem Urlaub in Italien die Kamishibai-Bilderbuchgeschichte „Franziskus und die erste Weihnachtskrippe“ – auch hier in Verbindung mit einem Lied – ihren letzten Schliff, um wenige Monate später zur Adventszeit 2015 zu erscheinen.

Schließlich: Im Jahr 2019 konnte ich eine Reise nach Verona nutzen, um hier der neu belebten Kamishibai-Tradition nachzuspüren, z.B. mit einer interessanten neuen Buchveröffentlichung über die Geschichte des bildgestützten Erzählens wie auch in der Begegnung mit der Künstlerin Elisabetta Garilli:

Caterina geht und geht…Musik, Kunst und Poesie im Bilderbuch

 

15. Schweden (2003 / 2013 und immer wieder): Selma Lagerlöfs Legende für Kinder neu erzählen

Schweden und Kinderbücher – das lässt natürlich erst mal an Astrid Lindgren denken und an alle, die für sie selbst Inspiration waren oder sich später von ihrer Art, das Leben, die Landschaft und das Kindsein zu beschreiben, inspirieren ließen.

Im Sommer 2013 hat mich die Ruhe an einem schwedischen Seeufer in die Geschichtenwelt der Selma Lagerlöf gelockt – nicht in die sommerliche, sondern in die winterliche Geschichtenwelt, wenn es hier überhaupt um Jahreszeiten geht. Für mich ging es um Erzähltraditionen und Stimmungen, um Gelassenheit und die elementare Erfahrung von Licht und Dunkelheit.

Die Schreibzeit im Freien weckte Ideen und Fantasien, um  Lagerlöfs  „Heilige Nacht“ in eine Liedergeschichte für Kamishibai zu übertragen – dem Original verbunden, aber doch behutsam neu für das bildgestützte Erzählen geformt, um Illustrationen von Monika Bosch und eigene Lieder zur Geschichte als Erzählelemente mit aufnehmen zu können. Das Ergebnis erscheint im Sommer 2014 als Minibilderbuch und Bildkartensatz.

2021 entstand bei einer Smaland-Reise der Zyklus #sommerzeitworte:

https://waldworte.eu/category/aus-der-eigenen-werkstatt/sommerzeitworte/

 

16. Israel (2014) / Serbien (2015) : Thema Leseförderung und Kinderrechte bei Internationalen Austauschprojekten

Der Spätsommer und Herbst 2014 standen im Zeichen von Austausch und Vorbereitungen zur Internationalen Konferenz „Promoting Reading“ am Van Leer Institut in Jerusalem, bei der die Teilnehmenden, überwiegend aus dem arabischen Raum, ihre Beiträge als Kurzfassung in einem gemeinsamen Reader zusammentrugen: Hoveret Promoting Reading

Auch wenn sich die Reise für mich am Ende nicht verwirklichen ließ – ich habe aus der Lektüre und im Verlauf der Konferenz-Vorbereitungen eine Menge aus den Impulsen und Überlegungen zum Thema lernen können! Und die zur Konferenz eingereichten Ausarbeitungen zu den Kinderrechten, die aus diesen Vorbereitungen hervorgingen, konnten 2015 erneut für den  binationalen Vortrag mit Daniela Skokovic / Serbien beim Bibliothekartag in Nürnberg eine Fortsetzung finden: https://opus4.kobv.de/opus4-bib-info/frontdoor/index/index/docId/1932

 

17. Slowakei (2014): Inspirationen in Bratislava

Bratislava! Eine Perle – von Wien aus leicht zu erreichen – mit vielen interessanten Eindrücken von Kleinkunst, Figurenspiel und Handwerk in den verwinkelten Gassen. Ein kleiner Nachklang zum Besuch in dieser Stadt fand Ausdruck in einem Kinderlied zu der dort entdeckten Textilfigur mit ihren vielen Bewegungsmöglichkeiten beim Singen und Erzählen. Wie dieses „Morgenlied für Kalinka“ entstand….

http://waldworte.eu/2014/12/26/aus-der-slowakei-morgenlied-fur-kalinka/

 

18. Österreich (2017/2020)

Und nochmal Kamishibai: Seit einer Begegnung in Wien mit der Redakteurin und Verlagsleiterin der mehrsprachigen Bilderbuchreihe „Papperlapapp“, Karin Hirschberger, freue ich mich immer wieder neu auf die nächste Ausgabe dieser kleinen feinen Hefte mit Geschichten und Illustrationen zu wechselnden Themen – im Sommer 2019 erstmals mit einem ergänzenden Kamishibai-Bildkartenset zum Thema „Wald“. Das ist wie geschaffen für neue Ideen und Erzählweisen bei meinem aktuellen Naturgeschichten-Projekt und zeigt einmal mehr die Chancen des mehrsprachigen bildgestützten Erzählens mit Kamishibai…

Kamishibai: Der Wald im Bühnenzauber

Im März 2020 ergab sich hier dann abermals eine Gelegenheit des Austausches mit Kolleginnen und Kollegen zum Thema Nachhaltigkeit bei einem Seminar am Wolfgangsee.

 

19. Kroatien (2019)

Auf Einladung des Goethe-Instituts habe ich im Herbst 2019 die Chance zu Begegnungen und Austausch mit Kolleginnen und Kollegen aus dem Raum Zagreb erhalten. Es ging in den Beiträgen der Konferenzteilnehmenden, veranstaltet vom kroatischen Leseverein, wie auch in meinem Beitrag um die Bezüge von Leseförderung zur Agenda 2030:
http://hcd.hr/2019/04/24/strucni-skup-pismenost-i-ucenje-za-odrzivi-razvoj/
Angesprochen wurde im anschließenden Austausch die Frage nach Übersetzungen relevanter (Sach)Bücher aus bzw. ins Kroatische, was einen Austausch intensivieren könnte. Neben der Dimension der Alphabetisierung als Schlüssel zur Informationsgewinnung, wie sie vor allem von den kroatischen Kolleginnen in den Mittelpunkt gestellt wurde, blieb für mich offen, ob und wie – auch unabhängig von schulischen Lehrplänen – Kinder in Kroatien darin bestärkt werden können, eine (hinter)fragende Haltung zur Welt zu entwickeln. Ein Engagement für freie außerschulische kulturelle Bildung als Aufgabe für öffentliche Bibliotheken und Angebote, die das Hinterfragen, Mitgestalten und Neu-Denken mit globaler Perspektive und Solidarität schon bei Kindern fördern, spielen nach meinem ersten Eindruck, den ich hier gewinnen konnte, derzeit keine bedeutende Rolle in Bibliotheken und bei der Bildung für nachhaltige Entwicklung in Kroatien.

Kinderliterarisch begegneten mir bei der Konferenz vor allem traditionelle Formen und Motive wie die klassischen Märchen „Aus Urväterzeiten“ von Ivana Brlić-Mažuranić, sonst aber keine neueren erzählenden Bilderbücher, die in einem kreativen Bezug zu den SDG zu lesen wären…

 

20. Slowenien (2019)

Slowenien ist ein „Kamishibai-Land“. Und in Ljubljana könnte ich Menschen treffen, die Kamishibai-Geschichten auf dem Marktplatz erzählen oder in der heilpädagogischen Arbeit zur Sprachförderung einsetzen. Bemerkenswert dabei: Im Vordergrund steht hier das Erzählen von eigenen und dazu individuell Illustrierten Geschichten – weniger die Nutzung von fertigen Materialien. Auch die Rahmen sind meistens selbst gebaut und oft seitlich wie nach oben geöffnet. Die populäre Bewegung mit Festivals und Vereinigung ist daher stark von der Erzähl- und Illustrationskunst einzelner Interpreten oder Paaren geprägt. http://www.kamisibaj.si

Eine weitere Entdeckung: díe Kinderlyrik des slowenischen Dichters Igo Gruden.

 

21. Austausch mit Frauen aus Ghana (2020)

Das Nahe und das Ferne – die Corona-Krise öffnete vielfältige Möglichkeiten, um den Austausch mit Autorinnen und Aktivistinnen in Ghana zu intensivieren und ihre Arbeit in Deutschland bekannt zu machen:

https://www.kohero-magazin.de/kinder-fragen-frauen-in-ghana-erzaehlen/

Fenster in die Welt – durch Geschichten

Susanne Brandt,  laufend aktualisiert (seit März 2014)

 

 

Susanne.brandt

Bedenkt und entdeckt das Leben in Lübeck oder unterwegs - am liebsten zu Fuß und in der Begegnung mit anderen. Lernt, schreibt, singt, erzählt, teilt und lässt sich jeden Tag vom Möglichen überraschen. Weitere Informationen: https://de.wikipedia.org/wiki/Susanne_Brandt