Sonntagsgedanken: Alles im Fluss….

Flüsse faszinieren.
Immer wieder und immer wieder anders erzählen sie: alles fließt – von der Quelle bis zur Mündung und endlos darüber hinaus.
Das Ende ist nie Schlusspunkt, sondern Übergang: Der Fluss geht über in einen anderen Fluss, in einen See, ins Meer…dem Himmel so nah.

„[Der Fluss] spricht nicht in Sätzen, aber er denkt in Rhythmen. Er lebt von Geduld, ohne je zu zögern. Er bewegt sich, ohne sich zu beeilen. Der Fluss ist weder Flucht noch Ziel. Er ist der Weg – der nicht geradeaus geht und dessen Biegungen sich verändern […] Er ist ein Denkmodell für ein anderes Verhältnis zur Zeit, zur Veränderung, zum Anderen“, heißt es in einem vor kürzlich erschienenen Podcast der Kirche Ottensen. Und das Nachdenken führt dort an Ende zu der Einsicht: „Du bist nicht nur der Architekt deines Lebensflusses. Du wirst mitgenommen, hingerissen, getragen, umspielt, bewegt, gegen den Strom, da geht’s zur Quelle; mit dem Strom, da geht’s zum Meer. Und es wird blau sein und in den Himmel fließen.“

Flüsse in den Landschaften unseres Denkens

Menschheits- Kultur- und Erdgeschichte, Ökologie und Hydrologie, Philosophie, Poesie, Musik, Mystik… – Flüsse durchziehen viele Landschaften unseres Denkens, Schaffens und Seins. Die Bewegung, die ihnen eigen ist, bewegt uns – nicht nur äußerlich als Wohnende und Reisende am Fluss, sondern auch innerlich beim tieferen Ergründen und Deuten der Bilder, die uns Flüsse vor Augen stellen.

Flüssen gehören zu den wechselnden Orten meines Lebens, seit Jahrzehnten vertraut und immer wieder erwandert: die Elbe, die Ems, die Eider und jetzt die Trave – wie oben auf dem Foto zu diesem Beitrag, wo die erweiterte Traveförde beim Dummersdorfer Ufer der Ostsee bereits ganz nahe kommt.

Immer wieder staunen konnte ich über das kleine Rinnsal, das sich an der Quelle seinen Weg sucht. Ist das schon ein Fluss? Auch die sprachlichen Grenzen sind da fließend. Ich meine: So, wie ein gerade zur Welt gekommenes Kind schon in vollem Umfang Mensch ist, so ist die feine Wasserspur an der Quelle bereits Fluss am Anfang seiner langen Entwicklung. Immer gilt: Der Fluss kommt aus der Bewegung – und sei sie noch so klein – bleibt in Bewegung und mündet am Ende in ein bewegtes Anderssein. Was das bedeutet? Wir kennen nicht alle Geheimnisse…

Singen heißt: der Atem fließt

„Alle Geheimnisse kennen wir nicht“, heißt es ebenso in dem nachfolgenden Abendlied vom Fluss. Auch wenn es bei der diesjährigen Text- und Musikwerkstatt TAKT eigentlich um andere Schwerpunkte ging – am Ende blieb in einer kreativen Einheit noch Zeit, um bei verschiedenen Übungen zu frei gewählten Themen nochmal anders dem „Zusammenfließen“ von Musik und Poesie nachzuspüren.

Zu einer kleinen Komposition von Nis-Edwin List-Petersen kam mir dabei sofort die Bewegung eines Flusses in den Sinn. Es gibt Melodien, da merkt man beim Singen sofort: der Atem fließt. Eine weitere Assoziation ging von dem 6/8-Takt aus: ein Wiegenlied?
Ein Wiegen- oder auch Abendlied vom Fluss also: Denn das Bild vom sprudelnden Anfang, der zum Strom wird und sich zum Meer hin weitet, trägt bei aller Bewegung etwas sehr beruhigendes und geschwisterliches in sich. Schließlich gehört Schwester Wasser ganz elementar dazu, wenn es um die große Schöpfungsfamilie geht.
Eingebettet in diese Ruhe und Verbundenheit darf man sich am Ende des Tages gern ins Reich der Träume tragen lassen:
Aus der Quelle rieselt ein Fluss

 

Bilderbuch-Tipps zum Thema:

Poesie im Fluss… – ein besonderes Bilderbuch

„Der Fluss“: ein besonderes Buch – so bewegt und bewegend wie das Leben

Bilderbuch-Tipp: Von der Vielfalt des Lebens am gleichen Fluss

Susanne.brandt

Bedenkt und entdeckt das Leben in Lübeck oder unterwegs - am liebsten zu Fuß und in der Begegnung mit anderen. Lernt, schreibt, singt, erzählt, teilt und lässt sich jeden Tag vom Möglichen überraschen. Weitere Informationen: https://de.wikipedia.org/wiki/Susanne_Brandt