Ich hatte mit anderen Statements gerechnet und war freudig überrascht: In ihren Keynotes wiederholten Bernd Schmid-Ruhe, Hassan Soilihi Mze und Teresa Darian NICHT, wie gut und wichtig Bibliotheken darin sind oder sein sollten, Informationskompetenz zu vermitteln, zur digitalen Bildung beizutragen oder das Lesen und die Literatur zu fördern. Das alles machen Bibliotheken zwar „irgendwie“ und reden auch gern darüber – aber ein paar Programme oder Apps, Techniken, Regeln und Methoden sind noch keine Bildung im umfassenden Sinne. Möglicherweise lässt sich damit Anschluss an Themen des Schulunterrichts finden – aber zugleich auch an die damit verbundene Begrenztheit einer eher ergebnis- als prozessorientierten Bildung.
Davon also bitte weniger! Und was dann?
Vielleicht so:
Besonders (aber nicht allein) in der „kulturellen Bildung“ (wobei der Begriff problematisch ist!) liegt – das wurde hier aus ganz unterschiedlichen Perspektiven überzeugend dargestellt – eine enorme Chance, endlich das im Mittelpunkt zu sehen und mit einer Haltung zu vertreten, was Bibliotheken mit ihren besonderen Räumlichkeiten, mit den hier gewährten Freiheiten, Teilhabe- und Gestaltungsmöglichkeiten wirklich gut anregen, unterstützen und begleiten können:
Persönlichkeitsentwicklung, soziale Kompetenz, Teilhabe und Mitgestaltung, Offenheit für ungewöhnliche Partnerschaften – und zwar wertebasiert und auf vielfältigen Wegen des Austausches.
Entscheidend ist nicht, ob das nun digital oder analog, mit Kunst, Musik oder Technik geschieht. Entscheidend ist vielmehr der Prozess, den Bibliotheken als Initiatoren und Begleiter in Bewegung bringen – auch durch die Räume der Begegnung, die dabei als eine Art „kreative Partner“ mitwirken. Entscheidend ist der Mut zum Experiment, der auch ein mögliches Scheitern nicht ausschließt. Entscheidend ist die Offenheit für den Dialog mit Besuchern und Partnern, die hier nicht das Vorgefertigte finden und nicht nur durch Techniken und Methoden lernen, „wie was funktioniert“.
Was Menschen hier finden, sind Möglichkeiten und Inspirationen, um eigene Entdeckungen und Erfahrungen zu sammeln, Teilhabe zu erleben und mit anderen an Gestaltungsprozessen mitzuwirken.
Kurz gesagt: Bildung (auch ohne den Zusatz „kulturell“) geschieht in Bibliotheken nicht mit dem Anliegen, dass man Menschen etwas „beibringen“ müsste, sondern dass man überraschende Querverbindungen und Zusammenhänge ermöglicht und lebendig werden lässt – gemeinsam mit Menschen und Kooperationspartnern. Eine solche Bildung geschieht aus einer Haltung heraus und im Bewusstsein für Werte. Es geht um Soft skills und weniger um Hardware – so die Idee.
Ein solcher Bildungsbegriff weist eine hohe Übereinstimmung mit Bildung für nachhaltige Entwicklung auf. Insofern waren die Keynotes zu Beginn zugleich eine inspirierende Einstimmung in den Workshop „Wie kommen die Wörter in meinen Kopf“, bei dem es darum gehen sollte, sich von den Erfahrungen aus Schleswig-Holstein inspirieren zu lassen zu eben solchen Prozessen der „Weltentdeckung“ und der „Zukunftshoffnungen“ mit Kindern:
Weniger erklären, sondern vor allem miteinander entdecken. Weniger vorgeben, sondern vor allem das aufnehmen, was Kinder und Jugendliche an Ideen einbringen. Weniger auf das Berechenbare setzen, sondern auch das Unverfügbare zulassen und der Verunsicherung nicht aus dem Weg gehen. Kunst und Musik, bildnerisches Gestalten und gemeinsames Singen, Philosophieren und Naturerfahrungen, Spiel und Bewegung, Bücher und Dinge sind gute Begleiter auf diesem Weg.
Und das Erstaunliche dabei: Auch ein so abstrakt und starr wirkendes Instrument der Zukunftsgestaltung wie die Agenda 2030 mit ihren 17 Zielen erweist sich dabei als ein ausgesprochen lebendiges Aktionsfeld mit unzähligen kreativen Möglichkeiten zur Mitgestaltung.
Kooperationen erweitern das Potential solcher Prozesse enorm. Mut ist nötig, um über das Vertraute und Absehbare hinaus zu denken – und zu handeln.
Mein Fazit zum 5. Forum Bibliothekspädagogik: Endlich – so hoffe ich – wird ein überkommenes Bildungsverständnis, das allein mit dem Zusatz „Digital“ keineswegs zukunftsweisender wird, das weder durch Makerspaces noch durch Lern-Apps allein echte Innovation erfährt, überwunden oder zumindest erweitert durch Ansätze, die von einer veränderten Haltung geprägt sind – und sich schlüssig verbinden mit einem veränderten Verständnis von Bibliotheken als „Dritte Orte“: offen, lebendig, inspirierend, inklusiv und in einer wechselseitig lernenden und wachsenden Beziehung zu den Menschen, die sich hier begegnen.
Susanne Brandt