Musik und Resonanz. Zum Tag der Blockflöte

Es gibt im Repertoire für Blockflöte die Sammlung „The Bird Fancyer’s Delight“, eine Reihe von auskomponierten Vogelstimmen aus dem 18. Jahrhundert. Ursprünglich dienten solche instrumentalen Vogelgesänge wohl dazu  – so war es zur damaligen Zeit beliebt – Käfigvögeln mit kunstvollen Melodien verschiedene Gesangsweisen zur Nachahmung anzutrainieren.

Dabei lassen sich die kleinen Kompositionen auch genau andersherum interpretieren: Wir sind es, die von den Vögeln und ihrem Gesang lernen, uns davon inspirieren und verändern lassen. Eine Musik, die das Wechselspiel mit der Natur sucht, beginnt mit dem Lauschen auf das, was uns im Wald, am Wasser, in der Stille begegnet. Und bei diesem Lauschen nehme ich wahr, was sich unserer Einflussnahme entzieht und bestenfalls von uns geschützt, nicht aber nach unserem Geschmack „trainiert“ und verformt werden kann.

Der Natur nachspüren – dazu gehört eine Haltung des Respekts. Vielleicht gelingt durch Musik eine sensible Annäherung, vielleicht eine Antwort, vielleicht lässt sich eine Geschichte erzählen. Was mitschwingen kann in einer solchen Musik, das sind Achtsamkeit, Staunen und Freude in Beziehung zur lebendigen Schöpfung.

Zum „Tag der Blockflöte“: Von den Wurzeln her denken

Jährlich wird am 10. Januar mit dem „Tag der Blockflöte“ an dieses kleine feine Instrument erinnert, das mich schon etwa 50 Jahre begleitet. Das Bild mit dem „Blockflötenbaum“ begleitet mich auch schon sehr lange. Seit etwa 40 Jahren hängt es in meinem Zimmer. Ich war 15 oder 16 Jahre alt, als ich es mit Farbstiften und Aquarell gemalt habe.

Noch ziemlich genau erinnere ich mich an die damit verbundene Idee: Wenn ich das Holz des Instruments in meinen Fingern spüre, spüre ich noch etwas vom Wuchs des Baumes und stelle mir förmlich von den Wurzeln her ein bewegtes Wechselspiel vor – einen schöpferischen Prozess. Das macht jeden Ton, der sich darin bildet, einzigartig.  Mit einem solchen Bewusstsein Musik gestalten – das wirkt sich aus auf Stütze und Atemansatz, auf melodische Vorstellungen und ein Gefühl für Lebendigkeit. Jedes instrumentale Musizieren braucht – so denke ich – solche Bilder im Kopf, die in der Musik nach Ausdruck suchen. Von unserer Beziehung zur Welt erzählen solche Bilder. Und was sich mit ihnen musikalisch entwickelt, ist im so verstandenen Sinne „Weltmusik“.

Resonanz – das meint in der Musik und Physik das Mitschwingen oder Mittönen eines Körpers mit einem anderen. In einem weiteren Sinne lässt sich sagen: Resonanz – das meint das Mitschwingen der Spielenden mit der Umwelt, mit anderen Menschen, mit dem Lebendigen, das uns umgibt. Erst so wird erfahrbar, dass Musik mehr ist als nur eine Abfolge von physikalischen Gesetzmäßigkeiten.

Die Flöte und ihre Töne – untrennbar verbunden mit dem Baum, mit Vogelgesang und notierten Zeichen, die eine musikalische Idee nicht festschreiben und erstarren lassen, sondern in die Weite führen. Immer wieder neu.

Susanne Brandt

 

Susanne.brandt

Bedenkt und entdeckt das Leben in Lübeck oder unterwegs - am liebsten zu Fuß und in der Begegnung mit anderen. Lernt, schreibt, singt, erzählt, teilt und lässt sich jeden Tag vom Möglichen überraschen. Weitere Informationen: https://de.wikipedia.org/wiki/Susanne_Brandt