Zwischen Holz und Steinen – das Leben… – ein Nachklang

Welche Geschichten wachsen in den Zwischenräumen, zwischen Holz und Steinen, zwischen Utopie und Dystopie, zwischen Angst und Hoffnung, zwischen Fremdheit und Vertrauen,  zwischen dir und mir?
Beim Workshop „Wörter, Holz und Steine“ im Rahmen des 4. Leseförderkongress der Bücherpiraten in Lübeck ging es darum, für diverse  Zwischenräume und Differenzen imaginäre Brücken mit Wörtern und Visionen zu bauen und dadurch gerade auch im Unverhofften neue Verbindungsmöglichkeiten zu entdecken.

Ein Nachklang zu Impressionen und Gedanken

Zunächst: Bilderbücher – Quellen der Inspiration und Poesie!
Sie beschreiben in ihrer ganz eigenen Sprache…

  • den langen Weg zum Meer, der sich in der Fantasie eines Kindes buchstäblich entfaltet (B. Barros: 2 Meter bis zum Meer)
  • oder kleine Entdeckungen zwischen Menschen auf einer blauen Parkbank (A. Asensio: Die blaue Bank)
  • oder ein Vogellied, das durch die wechselnden Perspektiven der anderen Lebewesen einfach immer weiter gesungen wird (O. Wolters: Das Lied des Stars)…

Alles keine Heldengeschichten – aber Hoffnungsgeschichten…Ende offen!

Apropos Lied: Gemeinsames Singen verändert was!
Zum Ausprobieren: „Überall ist Leben!“ (aus: S. Brandt: Komm und schau dich um. Leichte Lieder für Eine Welt)
Mit ein bisschen Body Percussion für den gemeinsamen Groove und mit spontanen Textideen per Zuruf aus der Gruppe entsteht mit jeder Runde etwas Neues. Eben so, dass Töne und Wörter kreativ und spielerisch in den gemeinsamen Gebrauch kommen und dabei – frei nach Gianni Rodari – mit ihrem „demokratischen Klang“ drinnen wie draußen ganz unkompliziert immer wieder Überraschendes ermöglichen.

Ich ahne, dass kreatives Erzählen und Schreiben und Community Music eine Menge miteinander anzufangen wissen…

In allem: das Sehen, Tasten, Bewegen und Interagieren mit Holz und Steinen, wild gewachsen oder kunstvoll geformt – wie Mika und Luka zum Beispiel. Denn das ästhetische Gestalten wie die Begegnung mit dem Wilden und Ungeordneten nimmt uns mit hinein in eine inspirierende Spannung, drinnen wie draußen, im ganz Kleinen wie im Großen, vom Boden, auf dem wir stehen bis hin zur Luft, in der unsere Gedanken und Ideen bis hoch in die verzweigten Baumkronen klettern. Das bietet Stoff zum gemeinsamen Erzählen für ein ganzes Leben…

Den Fragen weiter nachspüren…

Und nun?

In das persönliche Erinnern an die Begegnungen und Gespräche der gemeinsamen Tage mischen sich auch Fragen. Denn die bedrückenden Auswirkungen auf die Lebensperspektiven von jungen Menschen durch bedrohliche Machtansprüche und tiefe Krisen durchzogen die Diskussionen beim Kongress eben auch:

Was können die leisen Resonanzerfahrungen durch poetische Miniaturen, durch feinsinnige Entdeckungen in der Natur, durch gemeinsam gestaltete Lieder und Geschichten des Miteinanders – wie sie in so vielen Spielarten beim Kongress spürbar wurden – da überhaupt noch bewirken und verändern? Fordern die existentiellen Verunsicherungen und Sorgen angesichts von Kriegsangst, Klimakatastrophe und Artensterben nicht vielmehr zu lauten und radikalen Reaktionen heraus?

Versuch einer Antwort:
Wir müssen eingestehen, dass wir nicht die Rettenden der Welt sind und das wohl auch nicht werden. Es zeichnet sich ab, dass technische Lösungen, dass Optimierungsbestrebungen, Beschleunigung und Wettbewerb allein nicht reichen, um die anstehenden Herausforderungen in den Griff zu bekommen. Gleichzeitig bleibt unser Mitwirken am „guten Leben“ bedeutsam – auch wenn es am Ende vielleicht nicht gut ausgeht. Wir haben es also mit einem permanenten Dilemma der Nachhaltigkeit zu tun. Und bis zur Etappe 2030 ist es nicht mehr lange hin…

Den Gestaltungsmöglichkeiten neuen Schwung geben

Die gute Nachricht: Uns bleiben dennoch viele sinnvolle Mitgestaltungsmöglichkeiten. Und denen gilt es, immer wieder neu Raum und Schwung zu geben.
Wir können uns darin üben, in aller Demut als kooperierende Wesen zu wirken, teilzuhaben an Verwandlungsprozessen, uns einzufühlen in eine lebendige Verbundenheit mit anderen Wesen.

Wir nehmen dabei auch eine innere Seite der Wirklichkeit wahr, nicht nur die nach außen gerichteten Taten, Erfolge  und Misserfolge. Wir stellen uns mit kritischem Urteilsvermögen in den Dienst kooperativer Initiativen, statt vorrangig Macht zu beanspruchen. Für alles das brauchen wir eine gemeinwohlorientierte Kultur des Miteinanders, die von vielfältigen kreativen, ästhetischen und kulturellen Erfahrungen und Prozessen begleitet wird.

Das könnte in Krisenzeiten unsere Resilienz und Handlungsfähigkeit stärken. Das könnte dazu beitragen, dass wir unter dem Druck von Ängsten und Rückschlägen das Gefühl der Verbundenheit nicht ganz verlieren. Weiterhin gilt: Die Innen- wie die Außenseiten der Wirklichkeit brauchen und halten einander. Und wir halten und brauchen einander ebenso – im Kleinen wie im Großen.

Hier kommen wieder Poesie und Musik ins Spiel, das gemeinsame Zuhören und Erzählen, das Lauschen und Singen, das Innehalten und Bewegen – und die Freude daran!

Nein, das rettet nicht die Welt – aber das rettet vielleicht das Vertrauen in das Lebendige, mit dem wir alle verbunden bleiben. Das tut nicht allein uns selbst gut. Das wirkt sich aus im lebendigen Beziehungsgeflecht, verändert unser Tun – und hält Visionen wach.

Susanne Brandt

Susanne.brandt

Bedenkt und entdeckt das Leben in Lübeck oder unterwegs - am liebsten zu Fuß und in der Begegnung mit anderen. Lernt, schreibt, singt, erzählt, teilt und lässt sich jeden Tag vom Möglichen überraschen. Weitere Informationen: https://de.wikipedia.org/wiki/Susanne_Brandt