Geschichtenknospen? Wir kennen das alle: Bevor sich die Blüte entfaltet, entwickelt sich etwas im Innern, verborgen noch, unfertig, unverfügbar. Aber dann: Manchmal über Nacht offenbart sich eine Gestalt von erstaunlicher Form und Farbe, reagiert auf den Wind, neigt sich der Sonne zu, wird berührt von Bienen und Hummeln…
Wer schon mal erlebt hat, wie Geschichten zur Welt kommen, wie sich Wildwuchsgeschichten im Freien ans Licht locken lassen oder wie sich durch ein Gedicht, vielleicht auch durch Musik die Wahrnehmung und Beziehung zur Welt verwandelt, weiß mit dem Bild vielleicht was anzufangen: Geschichtenknospen!
Wie gut, dass solche bildhaften Wortschöpfungen in der Poesie einfach entstehen und da sein dürfen. Denn nicht immer reicht allein die Sprache der Wissenschaft und Informationsvermittlung aus, um zu beschreiben, worum es geht in der Kommunikation und Wahrnehmung der Menschen untereinander wie in Verbundenheit mit einer Natur, die als nicht-menschlich gilt und zugleich keine schlüssigen Gründe liefert, um getrennt vom menschlichen Leben betrachtet zu werden.
Unsere sprachliche Ausdruckskraft braucht – ebenso wie unser begründetes Entscheiden und Tun – dieses Werden und Wachsen von innen heraus, braucht Zeiten der Konzentration und Sammlung im Dauerrauschen der schnellen Meinungen, braucht die Stille des Zuhörens, die aufmerksame Auseinandersetzung mit Gegenwind. Und dort, wo das geschieht, wo sich etwas in Ruhe entwickeln kann und in Austausch geht mit den vertrauten und unvertrauten Einflüssen der Mitwelt, kommt oft auch das Staunen mit ins Spiel.
Wandel durch Worte?
Manchmal referiere ich im Kontext von Nachhaltigkeit und kultureller Bildung zu diesem Thema nach den Regeln der Wissenschaft und ahne zugleich, dass ein wirkliches Begreifen und Erfahren von dem, was damit gemeint ist, eher anderswo stattfindet: nicht im Hörsaal, Konferenzraum oder Klassenzimmer, sondern im Dialog, bei einem Waldspaziergang, am Meer – überall, wo Resonanz spürbar wird, das Vielschichtige und Vielfältige dazu gehört, Beziehungen zur Mitwelt in die Tiefe gehen und Ideen sich weiterentwickeln können. Gut möglich, dass einfache Antworten auf komplexe Herausforderungen unseres Zusammenlebens, Machtfantasien und populistische Versprechen dabei eine herbe Entzauberung erfahren…
Manchmal werden Geschichten, ein Gedicht oder Musik, manchmal erstaunliche Entdeckungen und Begegnungen zum Anfang eines solchen Prozesses – vielleicht zur Inspirationsquelle und Vision für das, was dadurch in Bewegung kommt.
So kann not-wendiger Wandel beginnen und konkretes Handeln Gestalt annehmen – oder wenigstens dazu ermutigen, sich im Engagement für schöpferische Vielfalt und globale Gerechtigkeit nicht einschüchtern und seelisch zermürben zu lassen.
Zur Vertiefung:
Vortrag Lauschen imaginieren teilen
Mehr zum Thema ganz aktuell (demnächst mit Texten zum Nachlesen) HIER
Ein weiterer Rückblick: