Benelux „Wege & Worte“ – Amsterdam

Wege & Worte – das ist eine nachhaltig gestaltete Reiseweise mit sieben B‘s: Benelux mit Bahn, Bed & Breakfast, Bibliotheken, Beginenhöfen, Begegnungen – eine Mischung aus Wegen im Freien wie durch Räume, die in besonderer Weise von Worten, von Poesie und inspirierenden Geschichten geprägt sind und neue Gedichte und Gedanken entstehen lassen.

Station 1: Bibliothek in Amsterdam

Einen „Ort der Seelenheilung“ nennt Anna Enquist, 2014/2015 Stadtschreiberin in Amsterdam, die Öffentliche Bibliothek von Amsterdam Und dann beschreibt sie in ihrem Gedicht die leise, entspannt wirkende Präsenz der vielen Menschen und Gedanken, die sich dort wahrnehmen lässt: Schritte, knarrende Türen, ein Lied…

Die Räumlichkeiten wirken offen und bergend zugleich durch das warme Holz und die vielen Kabinette, in denen Menschen sich treffen können. Nichts drängt sich auf, aber immer wieder bleiben die Blicke an Büchern, Kunstobjekten oder den einladenden Plätzen zum Verweilen hängen. Gedanken schweifen ab und finden zurück zur Konzentration, die an den zahlreichen Arbeitsplätzen spürbar wird – oder an den begehrten Fensterplätzen mit der weiten Aussicht aufs Wasser. 

Es ist gerade drei Tage her, als wir bei einem deutsch-dänischen Netzwerktreffenin Padborg über die Zusammenhänge von Gesundheit und Kulturangeboten nachgedacht haben – gerade auch unter dem Aspekt von Nachhaltigkeit: Musik in Krankenhäusern, Kunst im öffentlichen Raum, Tanz und Theater für Körper und Geist.

Bibliotheken spielten bei den dort vorgestellten und diskutierten Beispielen erstmal keine Rolle, lediglich beiläufig in Randgesprächen.

Gibt es eine solche Bibliothek als „Ort der Seelenheilung“ nur in Amsterdam? 

Tatsächlich meine ich einen atmosphärischen Unterschied zu erkennen zwischen der Bibliothek von Aarhus als eines der bedeutsamen Beispiele für Bibliotheksneubauten in Dänemark und der Bibliothek hier im Herzen der Niederlande: beide architektonisch bemerkenswert gestaltet an den jeweils schönsten Plätzen der Stadt, beide an 7 Tagen der Woche geöffnet für alle Menschen in ihrer ganzen Vielfalt. Und beide keineswegs nur als „Orte zum Lesen“ konzipiert: Ich sehe Menschen in den Sesseln schlafen, während Kinder das offene Zentrum des Hauses im Erdgeschoss spielerisch, lachend und tobend für sich erobern.

Mir fällt auf, dass Bücher in Amsterdam weiterhin sehr viel Raum einnehmen, gerade auch mit humanistischen Themen und Impulsen: Philosophie, Religion, Sprachen, Kulturwissenschaften – Sachgruppen, die anderswo mitunter schon ganz aus den Beständen öffentlicher Bibliotheken verschwunden sind, verbergen sich hier nicht. Und aktuelle Bestseller beanspruchen keine vorrangige Aufmerksamkeit.

Vielleicht ist es das: Hier biedert sich nichts nach den den Gesetzen von Markt und Umsatzsteigerung an. Hier können sich verschiedene Werte des Daseins entfalten – in den Medien wie in der Begegnung von Menschen, die diesen Raum miteinander teilen.

Das muss nicht immer gleich „Seelenheilung“ bedeuten. Aber das kann Gedanken beflügeln und Bedürfnisse stillen, die anderswo kaum mehr so unkompliziert und selbstverständlich Platz finden im Alltag.

Es tut gut, hier zu sein, werden viele spüren, die an diesem leise-lebendigen Ort Zeit verbringen. So einfach. So kostbar im Getriebe der Stadt. So nachhaltig wirksam.

 

Verdichtet…

 

Die Tore sind geöffnet jeden Tag.

Es kommen Menschen und der Lärm wird leise.

Gedanken gehen staunend auf die Reise,

auf eignen Wegen – doch diskret verbunden. 

Und manchmal wird ein Faden 

zwischen nah und fern

ganz unverhofft 

 

Susanne Brandt

Susanne.brandt

Bedenkt und entdeckt das Leben in Lübeck oder unterwegs - am liebsten zu Fuß und in der Begegnung mit anderen. Lernt, schreibt, singt, erzählt, teilt und lässt sich jeden Tag vom Möglichen überraschen. Weitere Informationen: https://de.wikipedia.org/wiki/Susanne_Brandt