Zuflucht finden – von Seifenblasen und Schmetterlings-Fragen

Ich mag Geschichten, die Fragen aufwerfen, Raum lassen für verschiedene Meinungen der Kinder und Diskussionen auslösen. Aber ich mag natürlich auch Dinge, an denen Kinder Freude haben, über die sie lachen können und die ihre Spiellust anregen.

Dass die Geschichte von den „Drei Schmetterlingen“ in der Version, wie ich sie vor ein paar Jahren für Kamishibai erzählt habe, mit bunt schillernden Seifenblasen endet (und nicht mit einer moralischen Botschaft der Sonne – wie in anderen Versionen der überlieferten Geschichte), ist einem Kind zu verdanken, das ich 2015 am Bahnhof in Flensburg beobachten konnte: Es hüpfte inmitten der vielen Geflohenen, die dort angekommen waren, mit einem strahlenden Lachen umher, um eine Seifenblase zu erhaschen, die plötzlich durch die Halle schwebte und das Kind zumindest für eine Weile – so schien es – verzaubern konnte mit ihren Farben und ihrer Leichtigkeit.

Das habe ich mir gemerkt – und die Seifenblasen deshalb in die Geschichte eingebaut, um ihr am Ende eben jene Leichtigkeit zu geben, mit der die Kinder vielleicht auch ihre eigenen Gedanken ins Freie schweben lassen: Ob die Geschichte auch ein anderes Ende nehmen könnte? Darüber lässt sich gemeinsam nachdenken.

Oft ist die Geschichte seither vor allem in der Sprachförderung eingesetzt worden – weil auch Kinder mit verschiedenen Herkunftssprachen leicht einen Zugang finden können zu dem klar strukturierten Text und Handlungsverlauf. Weil viele einfach Freude haben an Farben, an Seifenblasen und Schmetterlingen. Und weil sich Sprachanlässe auf diese Weise ganz spielerisch ergeben können.

Im Blog „Papillionis liest“ heißt es dazu mit Blick auf die Praxis in der Grundschule:

„Nach der Begegnung mit der Mohnblume macht es Sinn, die Kinder den Fortgang antizipieren zu lassen. Hier kann eine spannende Diskussion entstehen. Einige Grundschulkinder urteilten, die Entscheidung der Schmetterlinge sei „unklug“. Warum sollen sie nun gemeinsam nass werden? Sie empfahlen, dass sich jeder Schmetterling zu „seiner Blume“ gesellt und die Gefahr des Regens dort abwartet und so sicher ausharrt. Andere waren der Meinung, dass keiner alleine gelassen werden soll, erst recht nicht bei einer so unfreundlichen Blume und man gemeinsam viel stärker ist und jede Gefahr übersteht.“

Quelle: https://papillionisliest.com/2021/05/29/susanne-brandt-und-karina-luzan-die-drei-schmetterlinge/

Friedensarbeit von unten

Frühling 2022: Wieder kommen viele Menschen auf der Flucht am Flensburger Bahnhof an. Diesmal sind noch mehr Kinder dabei als 2015. Was brauchen diese Kinder? Wie können wir sie begleiten? Wodurch werden sie sich willkommen fühlen? Was macht ihnen Freude? Und wie mischen sich Erfahrungen mit Ablehnung und Ausgrenzung in die Situation ein – bei ihnen wie bei anderen Menschen, die schon länger hier sind?

Wieder stellen sich Fragen, die auch in der Schmetterlings-Geschichte eine Rolle spielen. Und es ist viel Engagement nötig – in der Ukraine wie in den Ländern, in denen Menschen jetzt Zuflucht suchen – um in dieser für uns alle so bedrückenden Situation ein menschenwürdiges Miteinander möglich zu machen. Das ist Friedensarbeit von unten.

Um dazu mit dieser Geschichte, die von einer Künstlerin aus der Ukraine illustriert worden ist, einen weiteren Beitrag zu leisten, fließt das Autorenhonorar des Jahres 2021 für diese Geschichte komplett in Projekte zur Nothilfe für Menschen in der Ukraine: https://www.donboscomission.de/nothilfe/ukraine

Doch nicht zu vergessen: die Leichtigkeit der Seifenblasen und das Staunen über die ersten Schmetterlingen in diesem Jahr! Hier in Flensburg wird die Geschichte gleich morgen neben anderen lebendig beim Frühlingsfest von Villekula  – zum Freuen und Miterzählen!

Susanne.brandt

Bedenkt und entdeckt das Leben in Lübeck oder unterwegs - am liebsten zu Fuß und in der Begegnung mit anderen. Lernt, schreibt, singt, erzählt, teilt und lässt sich jeden Tag vom Möglichen überraschen. Weitere Informationen: https://de.wikipedia.org/wiki/Susanne_Brandt