Ein Jahr mit der Buche – Wasserwerk des Waldes

Die Rotbuche ist Baum des Jahres 2022. Sie gehört zugleich zu den Bäumen, die mir persönlich buchstäblich „am nächsten stehen“. In Flensburg wächst ein Buchenwald gleich nebenan und umgibt mich mit seinem wechselnden Erscheinungsbild das ganze Jahr. Und denke ich an besonders prägende Naturerinnerungen meiner Kindheit und Jugend zurück, dann gehörten die norddeutschen Buchenwälder immer dazu. „Mutter des Waldes“, so könnte man die Rotbuche auch nennen. Denn mit einigen erstaunlichen Mechanismen und Eigenschaften spielt sie bei der Gestaltung des Lebensraumes in der „Waldfamilie“ eine wichtige Rolle. Das alles sind gute Gründe, sich mit dem „Baum des Jahres“ 2022 mal genauer zu beschäftigen: in kleinen Kapiteln zu einzelnen Fragen und Aspekten.

Heute: Wie gestaltet sich das Zusammenspiel zwischen Buchen und Wasser?

Das geschlossene Kronendach der Buchen wirkt wie ein Zeltdach und schützt den Waldboden vor zu starker Sonneneinstrahlung und  Austrocknung. Bei Regen sammeln die stark nach oben ragenden Äste das Niederschlagswasser und führen es ähnlich wie ein Trichter nach innen zum Stamm. An der glatten Rinde rinnt es rasch nach unten und wird so direkt zu den Wurzeln des Baumes geleitet. So verbessert die Buche nicht nur ihre eigene Wasserversorgung, sondern auch die der Bodenorganismen in ihrem Wurzelbereich. Auf diese Weise trägt die Buche außerdem wesentlich zur Speisung des Grundwassers im Boden bei.

Für den Standort heißt das: Der Boden darf nicht zu nass oder zu trocken sein. Solange mindestens 650 Millimeter Regen im Jahr fallen, geht es der Buche gut. Sie kommt also auf vielen Waldstandorten Europas gut zu recht, außer in Auwäldern, Mooren, Sümpfen und auf sehr trockenen Böden.

„Wasserwerk des Waldes“

Auf die seit vier Jahrzehnten spürbar zunehmende Klimaerwärmung, die mit häufigeren Trockenperioden einhergeht, reagiert die Buche mit einer Reduktion der Blattdichte im Kronenbereich, um einen zu hohen Wasserverlust durch Verdunstung zu vermeiden. Die bislang stärkste, von 2018 bis 2020 anhaltende Trockenheit mit sommerlichen Hitzeperioden hat wohl keine der Waldbaumarten unbeschadet überstanden. Über vier Prozent aller Fichten sind allein im Jahr 2020 abgestorben.

Die geringste Absterberate wies mit etwa 0,3 Prozent die Buche auf. Die allermeisten dieser abgestorbenen Buchen standen an sonnenexponierten Süd- und Südwesthängen auf Böden, die wenig Wasser speichern können.
Das spricht offenbar dafür, dass die Buche insgesamt ihren Platz in den Wäldern trotz der sich ändernden klimatischen Verhältnisse durchaus halten und auch erweitern kann. Viele der Waldflächen, von denen die Fichten sich jetzt zurückziehen, waren vormals für Buchen gut geeignete Standorte. Die Chancen stehen also nicht schlecht, dass die Buche dort einen Teil ihres verlorenen Terrains zurückbekommt. Das wäre sehr gut. Denn die Buche gilt als das „Wasserwerk“ des Waldes und wäre geeignet, die Gefährdung der Wälder durch die zunehmenden Dürreperioden zumindest abzumildern.

Quellen & weitere Infos:

Wie viel Wasser braucht der Wald?

https://www.waldkulturerbe.de/den-wald-erleben/publikationen/unsere-waldbaeume/die-rotbuche/

Susanne.brandt

Bedenkt und entdeckt das Leben in Lübeck oder unterwegs - am liebsten zu Fuß und in der Begegnung mit anderen. Lernt, schreibt, singt, erzählt, teilt und lässt sich jeden Tag vom Möglichen überraschen. Weitere Informationen: https://de.wikipedia.org/wiki/Susanne_Brandt