Von mutigen Libellen, tragenden Flügeln und wunderbaren Kindern – Baumzauber in Flensburg

„Baumzauber“ – so nennen die Autorinnen Susanne Orosz und Nadia Malverti ihre Idee für kreatives Schreiben und Gestalten in der Natur. Und wirklich zauberhaft war das, was viele davon bei der Premiere in Flensburg erlebten: Eine 4. Klasse hatte ihren Unterricht ins Freie verlegt, um in Kooperation mit der Stadtbibliothek Flensburg und der Büchereizentrale Schleswig-Holstein zu entdecken, wie Bäume die Sinne anregen und die Fantasie beflügeln können. Behutsam und spielerisch regten die beiden Workshop-Leiterinnen zunächst an, sich mit den Bäumen vertraut zu machen, entwickelten ein feines Gespür für die Gruppe und ermutigten die Kinder schrittweise dazu, ihren eigenen Ideen, Gedanken und Worten eine einzigartige Energie und Stärke zuzutrauen. Und auch über die Ideen der anderen Kinder zu staunen.

Dazu rieben die Kinder in Frottage-Technik die jeweils ganz individuelle Struktur von Baumrinden mit Wachstiften auf ein Blatt Papier. Krickel-Krakel? Nein, wer ganz genau hinschaut, kann in den Mustern aus der Natur etwas entdecken: einen Wal, einen Bären, eine Libelle, ein Kind, ein Boot, ein Meer…

Aus Bäumen lassen sich Geschichten hervorlocken

Scheinbar zufällig entstandene Formen gewinnen dabei in erstaunlicher Weise an Bedeutung und verbinden sich beim Erzählen und Beschreiben mit weiteren Figuren, Gegenständen, Gedanken und Träumen, die die Kinder vielleicht schon lange in ihren Herzen tragen: Da lernt die kleine Libelle zwar fliegen, braucht aber ebenso die tragende Hilfe eines Vogels, wenn ein Flügel bricht. Oder es wird überlegt, wie es manchmal die Kinder selbst sind, die mit ihren Ideen auf so wunderbare Weise in schwierigen Situationen eine glückliche Wendung herbeiführen. Ängste und Gefahren kommen zur Sprache. Aber immer wieder auch Hilfe und Rettung.

Die Kinder waren frei darin, den Faden ihrer Geschichte – ausgehend von den entdeckten Figuren und Strukturen auf ihren Baumrindenbildern – zu finden und weiterzuspinnen. Manches entwickelte sich im Gespräch mit Susanne Orosz, Nadia Malverti und anderen. Manches flog ihnen vielleicht zu – und die Bewegung an der frischen Luft, das Klettern im Baum oder das Rennen über die Wiese wird etwas dazu beigetragen haben. Auch die Leseinsel mit Baum- und Naturbüchern, die vom Bücherbus der Stadtbibliothek Flensburg unter einem kleinen Zeltdach zum Verweilen einlud, bot einigen Kindern Inspiration beim Forschen, Nachfragen und Weiterdenken.

Vielfältige Inspirationen und Wechselspiele von Natur und Kultur

Zu beobachten war, wie manche Kinder im Verlauf des Draußentages die Bildtafeln im Park betrachteten, die dort gerade auf dem „Erzählweg“ unter den Bäumen ausgestellt waren: Illustrationen von Künstlerinnen und Künstlern, die das Zentrum für Kinder- und Jugendliteratur LesArt als Wanderausstellung zur Verfügung gestellt hat.

Foto einer Illustration von Julia Friese bei der LesArt Ausstellung

So stand ein Kind staunend vor dem Bild von Julia Friese, das seinen Platz direkt unter einem Kletterbaum gefunden hatte, schaute auf den Baum, dann wieder zum Baum auf dem Bild, verglich und überlegte: Ist da der Baum aus dem Bild ins Freie gewachsen? Oder aus der Natur ins Bild gesprungen? Solche und viele andere Wechselwirkungen zwischen erlebter und erträumter Wirklichkeit, Fantasie und Realität, Entdeckungen in der Gegenwart und Erinnerungen aus der Vergangenheit mögen mit dazu beigetragen haben, dass die Erzähllust der Kinder so intensiv zu spüren war und am Ende in 23 Geschichten und Bildern Ausdruck fand.

Am Ende wurden Nadia Malverti all diese Schätze anvertraut. Sie zauberte daraus an den nachfolgenden Tagen 23 Text-Bild-Tafeln, die dann – schon eine Woche später – in einer Ausstellung auf dem „Erzählweg“ unter eben diesen Bäumen der Öffentlichkeit vorgestellt werden konnte. Dazu hatten die Schülerinnen und Schüler eine Lesung vorbereitet und konnten der Presse auch sonst einiges über ihre Erlebnisse beim Entdecken und Erzählen der Geschichten berichten:

„Es war schön, mit den Künstlern zu arbeiten und in der Natur“, erzählte eines der Kinder. Und ein anderes ergänzte: „Wir haben verstanden, dass man bei der Natur besser arbeiten kann.“ Und wieder ein anderes erinnerte sich: „Es war spannend und abenteuerlich, wenn man eine Figur gefunden hat. Überraschend war es, wenn man sieht, wie andere Leute Sachen finden.“

Wer sich ebenso überraschen lassen möchte: Die Geschichten und Baumrinden-Bilder der Kinder sind dort auf dem Erzählweg zwischen Büchereizentrale und Brücke Flensburg (ihnen gilt ein herzliches Dankeschön für die Parknutzung!),  Waitzstr. 3-5, noch den ganzen Sommer zu sehen. Gern auch als Anregung für weitere Geschichten und Bilder, die sich auf diese Weise aus der Natur herauslocken lassen. Auch die Stadtbibliothek Flensburg zeigt einen Teil der Ausstellung in ihren Räumlichkeiten.

Susanne Brandt

Weiter Informationen zum Projekt: www.erzaehlwege.de

Hinweis:

„Baumzauber“ mit Susanne Orosz und Nadia Malverti wird im Verlauf des Sommers noch an sieben weiteren Orten in Kooperation mit Bibliotheken stattfinden und auf „Erzählwegen“ präsentiert. Das Projekt wird mit Landesmitteln zur Innovation in Öffentlichen Bibliotheken in Schleswig-Holstein gefördert.

Susanne.brandt

Bedenkt und entdeckt das Leben in Lübeck oder unterwegs - am liebsten zu Fuß und in der Begegnung mit anderen. Lernt, schreibt, singt, erzählt, teilt und lässt sich jeden Tag vom Möglichen überraschen. Weitere Informationen: https://de.wikipedia.org/wiki/Susanne_Brandt