Waldgeschichten im Advent: Vom Suchen und Finden

Foto: Susanne Brandt

Auf meiner kleinen Herbstwald-Route
sah ich heut diese Bären-Schnute.
Der Braunbär zwinkerte mir zu –
und nu?
Ich soll ihn bald nochmal besuchen –
am liebsten dann mit Honigkuchen!

 

Die Geschichte vom Bären hat draußen in der Natur an einem alten Baumstumpf ihren Anfang genommen – wie in Teil 1 dieser Waldgeschichten im Advent nachzulesen ist. Aber wie könnte es jetzt mit dem Bären weitergehen?

Irgendwann fängt man an zu frieren bei einem Spaziergang im nasskalten Dezembernebel. Umso gemütlicher ist es dann, nach Hause zu kommen und dort bei einer Tasse Kakao am knisternden Ofen spielerisch und fantasievoll an das Erlebte anzuknüpfen.

Zum Beispiel mit den Bildkarten zum Geschichtenerzählen aus “Die Erde ist ein großes Haus”:

Die lassen sich zunächst mit der Rückseite nach oben als Waldpuzzle verwenden. Ganz schön knifflig! Da gilt es – wie in der Natur auch – genau hinzuschauen und auf winzige Einzelheiten zu achten, bis alles gut zusammenpasst. Ist das geschafft, kann das Erzählen beginnen: Werden jetzt einzelne Karten aus dem Waldbild umgedreht, kommen nach dem Zufallsprinzip verschiedene Motive zum Vorschein. Und genau die sollen in der Geschichte vom Bären eine Rolle spielen: eine Fledermaus, eine Frau und ein Mädchen – oder einfach: Menschen – ein Knopf und eine Schale…

Wer aus dem Wald ein paar Stöckchen, Zapfen o.ä. mitgebracht hat, dann sie gern noch mit aufs große Puzzlebild legen. Dann sieht der Wald nicht so „aufgeräumt“ aus (s. dazu Teil 1 der Waldgeschichte).

Foto: Susanne Brandt

Wir wissen bereits: Hauptfigur der Geschichte ist der Braunbär, der so gern Honigkuchen futtert. Was mag der nun wohl da draußen erleben – jetzt, da es bereits dunkel wird?

Zu den umgedrehten Karten (im nachfolgenden Text fett markiert) kann man sich gemeinsam –  im freien Wechselspiel der Ideen  – allerhand einfallen lassen, so dass nach und nach eine Geschichte entsteht.

Eine wie diese zum Beispiel:

Langsam wurde es dunkel im Wald. Der Bär lauschte. Um ihn herum war es nun ganz still. Selbst von den Fledermäusen war nichts zu sehen oder zu hören. Die hatten sich wohl schon zur Winterruhe zurückgezogen. Auch der Bär war schon auf der Suche nach einem Quartier für den Winter. Vorher aber wollte er sich für die kalten Monate, in denen es nichts zu fressen gab, noch ein bisschen was anfuttern. Und süße Sachen – die mochte er besonders gern. Der Bär wusste, wo man süße Sachen bekommen konnte. Bei den Menschen. Aber die wohnten nicht hier im Wald. Und jetzt im Dämmerlicht war er sich nicht so sicher, welcher Weg zu den Häusern der Menschen führte – zu den leckeren süßen Sachen also, die er dort vielleicht finden konnte.

Langsam und schon ein bisschen schläfrig trottete er durch den Wald. Nach einer Weile kam er an eine Wegkreuzung. Da! Er schaut auf den Weg, der Richtung Westen führte – dorthin, wo eben die Sonne untergegangen war. Da lag etwas Glitzerndes zwischen den Laubblättern. Ein goldener Knopf! So einen Knopf tragen nur Menschen an ihrer Kleidung, dachte der Bär. Vielleicht, so überlegte er, vielleicht führt also dieser Weg direkt dorthin, wo die Menschen wohnen.

Und tatsächlich! Er musste gar nicht weit laufen, da sah er am Rande des Waldes die ersten hell erleuchteten Fenster. Jetzt erkannte er sogar ein Mädchen, das gleich hinterm Waldrand gerade in einem Haus verschwand. Und als er noch ein bisschen näher kam, da sah er noch etwas: Da stand eine große Schale. Na sowas, wunderte sich der Bär. Wer stellt denn eine Schale am Waldrand ab?  Neugierig tapste er an die Schale heran. Er musste gar nicht erst seine Nase hinein stecken – jetzt roch er es schon! Lecker Honigkuchen! Für ihn gab es nun keinen Zweifel mehr: Der Kuchen war für ihn bestimmt. Und – haps – er schmeckte wunderbar!

 

So – oder auch ganz anders – kann es also gehen, wenn ein Stück “Walderfahrung” im Winter mit ins Haus getragen wird: als Inspiration, als Anregung zum gemeinsamen Erzählen, Dichten und Denken, vielleicht auch als Türöffner für viele andere Aspekte rund um das Thema Wald.

Auf jeden Fall: als Chance, um gemeinsam draußen wie drinnen mit Fantasie und Entdeckerlust auf die Suche zu gehen nach Zusammenhängen und Geschichten des Lebens.

Und um immer wieder Worte dafür zu finden:

Am nächsten Abend ging ich los
zum Bären, doch – wo war er bloß?
Ich fand ihn nicht im dunklen Wald.
Genug gesucht – mir wurde kalt.
Ein Kuchenstück ließ ich zurück.

Zum Glück!

 

Susanne Brandt

 

 

Susanne.brandt

Bedenkt und entdeckt das Leben in Lübeck oder unterwegs - am liebsten zu Fuß und in der Begegnung mit anderen. Lernt, schreibt, singt, erzählt, teilt und lässt sich jeden Tag vom Möglichen überraschen. Weitere Informationen: https://de.wikipedia.org/wiki/Susanne_Brandt