Vom dreifachen Einfluss der Emotionen – Impulse zum Kamishibai-Erzählen mit Erwachsenen

Zu den Praxisfragen, die mir oft begegnen, gehören folgende: Wie lässt sich Kamishibai bei Erwachsenen einsetzen? Vielleicht speziell für Senioren? Was gibt es dabei zu bedenken?

Pauschale Antworten helfen da nicht weiter – aber vielleicht ein paar Überlegungen aus der Praxis für die Praxis. Zunächst: Mit der Suche nach speziellen „Seniorengeschichten“ wird man dem Anliegen kaum gerecht. Was sollten das für Geschichten sein? Vielmehr gilt es, die große Vielfalt an Erfahrungen und Vorlieben wahrzunehmen, die für Menschen in jedem Lebensalter von Bedeutung sind, wenn sie sich auf eine Geschichte einlassen. Entscheidend ist, in der jeweiligen Erzähl- und Vorlese-Situation – bei Kindern wie bei Erwachsenen – den richtigen Ton zu treffen, mit dem sich die Zuhörenden ernst genommen fühlen.

Folgende Impulse mit Links zum Weiterlesen sind als Vorschläge zu verstehen für eine Auseinandersetzung mit diesem Thema:

Impuls „Warum Geschichten – ein Leben lang?“: Emotionen wirken stärker als Informationen

«Wir sind, anders als die Aufklärung meinte, keine Menschen, die kalt denken, sondern wir haben immer einen Schuss Emotion dabei.» (Jäncke)

Beim Erzählen von Geschichten sind Emotionen essenziell, und zwar gleich dreifach: «Erstens die Emotionen innerhalb einer Geschichte, zweitens die Emotionen, die die Geschichte beim Zuhörenden hervorruft und drittens die Emotionen, die zwischen Erzählendem und Zuhörendem bestehen.» (Brugger)

Tief im Menschen verankerte Erzählformen sind sogenannte Narrative.  «Ein Narrativ ist etwa Aufstieg und Fall eines Helden, einer Nation.» Familiengeschichten und  Liebesgeschichten wie «Romeo und Julia» sind Narrative: «Geschichten einer Liebe, die sich über alle Hindernisse hinwegsetzt.» (Lubrich)

Narrative berühren Urängste, Sehnsüchte, die ersten Fragen und letzten Dinge, die alle Menschen verbinden. Sie haben eine kollektive Resonanz. Kommen sie in einer Geschichte verstärkt vor, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass viele Anteil nehmen. Narrative beantworten Fragen wie: Woher kommen wir, welche Gefahren haben wir gemeinsam überstanden, welche Zukunft haben wir miteinander, und wer gefährdet diese neuerlich?

Quelle: https://www.srf.ch/kultur/gesellschaft-religion/wochenende-gesellschaft/geschichten-und-unser-gehirn-die-wahren-abenteuer-erleben-wir-im-kopf

 

Impuls „Wie Geschichte frei nacherzählen zu Bildern?“: 5 Schritte zur Vorbereitung

Einfacher Leitfaden zum freien Erzählen mit Kamishibai (nach Kober):

  • Mit dem Text vertraut werden
  • Zu den Bildern erzählen – schlicht, beschreibend, nicht belehrend: Was sehe ich? Was weiß ich?
  • Mitmachchancen und Mitdenkchancen zu jedem Bild überlegen (Bewegungen, Fragen, Lieder etc. zu den Bildern)

 

Impuls „Biografiearbeit“: Akzeptanz und empathisches Mitgehen statt Nostalgie

„Die Akzeptanz ist der Schlüssel für die wertfreie Begegnung mit einem Menschen, ob mit oder ohne demenzieller Erkrankung. Die Fragen nach dem Früher sind nur im Kontext des Jetzt und des Morgen zu stellen. Die Gegenwart ist zwar Ergebnis der Vergangenheit. Diese Erkenntnis hilft aber nur sehr beschränkt weiter, wenn es darum geht, das Jetzt und die Zukunft zu verstehen. Angehörige wie Betreuende sind deutlich darauf hinzuweisen, dass das empathische Mitgehen, das Dasein weit mehr bewirken kann als ein Halb- und Viertelwissen zu den Fragen der Vergangenheit.“

aus: https://alzheimer.ch/de/alltag/lebensraum/magazin-detail/164/welche-vergangenheit-soll-es-denn-sein/

 

Impuls „Bildgestütztes Erzählen mit Kamishibai für Erwachsene“: JedeR nimmt etwas anderes wahr

Welche Geschichten wirklich passen, wird in jedem Lebensalter ganz unterschiedlich empfunden. Wichtig ist deshalb, verschiedene Illustrationen zur Wahl zu stellen  sowie Stoffe und Inhalte anzubieten, die verschiedene Anknüpfungspunkte an gegenwärtige und vergangene Lebenserfahrungen und Interessen erlauben.

Im Angebot der Kamishibai-Bildkartensätze stehen u.a. zur Auswahl (hier: Don Bosco Verlag / Titelübersicht unter www.mein-kamishibai.de)

  • Märchen der Gebrüder Grimm und Andersen (z.B. Frau Holle, Des Kaisers neuen Kleider u.v.m. / bitte entscheiden (lassen), ob die Illustrationen als zu kindlich empfunden werden).
  • Foto-Serien zur Alltagswelt vergangener Jahrzehnte (z.B. „Die 50er Jahre“, aber auch selbst gemachte Serien aus alten Fotos) zum freien Erzählen, ggf. auch mit Liedern verbunden. Ein Fotoarchiv mit vielen Suchmöglichkeiten – bei Interesse sind dort Nutzungsmöglichkeiten zu erfragen: https://www.wendland-archiv.de/
  • Jahreszeitliche Themen / Geschichten (z.B. „Durch das Kirchenjahr“, zum Reformationstag: „Die Geschichte von Martin Luther“, zum Herbst: „Herr von Ribbeck auf Ribbeck“, zu Weihnachten: „Stille Nacht“, „Franziskus und die erste Weihnachtskrippe“)
  • Biblische Geschichten (auch zu biografischen Aspekten wie z.B. „Maria und Elisabet“, „Der verlorene Sohn“, „Ruth und Naomi fangen neu an“ u.v.m.)
  • Bildkarten selber machen: z.B. mit eigenen Fotoserien oder auch mit Collagen zu einer Geschichte wie z.B. bei folgendem Vorschlag http://www.mein-kamishibai.de/laterne-lumina-leuchtet-senioreneinrichtung

Weitere Tipps und Erfahrungen für das Singen und Erzählen mit Senioren – verschiedene Medien:

http://www.bz-sh-medienvermittlung.de/vorlesen-und-singen-mit-alten-menschen-tipps-und-anregungen/

 

Zusammenstellung: Susanne Brandt

Susanne.brandt

Bedenkt und entdeckt das Leben in Lübeck oder unterwegs - am liebsten zu Fuß und in der Begegnung mit anderen. Lernt, schreibt, singt, erzählt, teilt und lässt sich jeden Tag vom Möglichen überraschen. Weitere Informationen: https://de.wikipedia.org/wiki/Susanne_Brandt