Sonntagsmomente: Was bleibt ist Wandel

Schnecken sind anders. Sie ziehen mit leichtem Gepäck durch die Welt. Ihr Haus bietet Schutz vor Feinden – passend gebaut für das, was sie zum Leben brauchen.

Wir Menschen wechseln unsere Behausungen, wenn wir weiterziehen. Die einen häufiger, die anderen selten. Die Gründe dafür sind ganz verschieden. 

Was uns alle verbindet: Wandel geschieht. Nichts geht ohne Beweglichkeit im ganz Kleinen wie im Großen. Vorhersehbar sind solche Veränderungen nie ganz genau. Wir planen gern und viel. Aber dann entwickelt sich das Leben doch in eine andere Richtung und stellt uns vor neue Fragen und Aufgaben.

Was uns auch von Schnecken unterscheidet: Unsere Behausungen bieten nicht in erster Linie  Schutz vor Feinden. Vielmehr sind sie Orte des sozialen Lebens: in der Familie, für Freundinnen und Freunde, mit Gästen. Für manche Menschen geschieht Wohnen und Arbeiten unter einem Dach – und niemals losgelöst vom dem, was in und um unsere Häuser herum lebt.

Die Geschichte eines Hauses weitererzählen

Es gibt auch andere interessante Modelle: Tinyhäuser, die – ähnlich einem Schneckenhaus – auf  die minimalen Bedürfnisse einzelner Menschen zugeschnitten sind, versprechen eine bessere Ökobilanz. Und richtig: Unsere Behausungen wiegen schwer beim ökologischen Fußabdruck. Bei diesem sind allerdings noch ein paar mehr Faktoren mit zu bedenken, als allein der aktuelle Wohnraum in Relation zur Personenzahl. Unter dem Aspekt von Nachhaltigkeit betrachtet, bietet der ursprüngliche Materialeinsatz an Holz, Gestein und Energie bei solider Bausubstanz vielleicht 100, 200 Jahre oder länger Wohnraum für viele Menschen nacheinander, die mit dazu beitragen, die eingesetzten Ressourcen weiter zu pflegen und ggf. auch energetisch zu verbessern. Wo es gelingt, vorhandene Häuser lange zu nutzen, unter energetischen Gesichtspunkten weiterzuentwickeln und immer wieder zu einem sinnvoll genutzten Zuhause für Generationen von Menschen werden zu lassen, könnten anderswo Neubauprojekte in Grenzen gehalten werden.

Auch bieten größere Gebäude Platz für mehrere Wohneinheiten, die sich „gegenseitig wärmen“ und einzelne Bereiche miteinander teilen. Klar – das erfordert auch Kompromisse, Absprachen und Verständigung, wie sie bei komplett individualisierten Wohnformen nicht nötig wären. Aber eben das gehört zum Leben und Wirken von sozialen Wesen mit dazu.

In den letzten 40 Jahren bin ich achtmal umgezogen, bin in unterschiedliche Behausungen geschlüpft, habe das übernommen, was andere Menschen vor mir – oft mit viel Sorgfalt und Liebe – für das Leben in diesem Haus getan haben und gebe mit jedem Wechsel den Nachfolgenden etwas von dem mit, was uns lieb und wichtig war. Ein spannender Prozess, bei dem alle Generationen der Bewohnenden die Geschichte eines Hauses weitererzählen.

Was ist uns jetzt wichtig?

Umzüge sind anstrengend. Das haben wir auch jetzt aktuell bei unserem gemeinsamen Umzug von Flensburg nach Lübeck wieder gemerkt. Sie fordern einem über einige Wochen viel körperliche und emotionale Kraft ab, verursachen Abschiedsschmerzen und wecken die Freude an neugewonnenen Chancen und Möglichkeiten. Sie sind sicher nicht die einzige, jedoch eine mögliche, sehr deutliche und konsequente Antwort auf die Frage: Was ist uns jetzt in dieser Lebensphase wichtig?

Dass sich diese Frage immer mal wieder neu und anders stellt, ist für mich ein Zeichen des Wandels, der in jedem Leben wohnt.

Vor einigen Jahren habe ich den Text für ein Lied geschrieben, in dem es zu Beginn heißt: „Noch nicht sicher, wie lange wir bleiben…“. Mit dieser Unsicherheit gilt es klarzukommen – existentiell gesehen im Blick auf das Leben wie auch für die Lebensphasen, in denen wir heimisch werden und irgendwann vielleicht doch wieder weiterziehen. Warum und wohin? Noch offen.

Das Lied hat den Titel „Wir sind Gäste – alle überall“. Denn auch das gehört für mich zum Lebensgefühl – selbst in einem Haus, das materiell gesehen „Eigentum“ genannt werden darf. 

„Gäste auf Erden“ zu sein, heißt eben auch: dankbar und rücksichtsvoll teilzuhaben am Lebendigen um uns herum – an Zeit, Ressourcen, Raum, Landschaft, Aufgaben, Lebensgrundlagen, dem sozialen Miteinander in Familie und Gesellschaft, regional wie global. In welcher Weise – das gilt es individuell herauszufinden. Am besten beweglich.

„Wir sind Gäste“ (M.: Jan Kessler / T.: Susanne Brandt)

Susanne.brandt

Bedenkt und entdeckt das Leben in Lübeck oder unterwegs - am liebsten zu Fuß und in der Begegnung mit anderen. Lernt, schreibt, singt, erzählt, teilt und lässt sich jeden Tag vom Möglichen überraschen. Weitere Informationen: https://de.wikipedia.org/wiki/Susanne_Brandt