Zum Weltbienentag: Wildes Blühen am Rummelgang

Wer Flensburg kennt, kennt vermutlich auch den Rummelgang hinter der Norderstraße. Die grüne Oase inmitten der nördlichen Altstadt – still und etwas abseits vom bunten Treiben entlang der Straßencafés – ist durch Terrassen erschlossen, die mit Mauern aus Naturstein abgestützt und durch Steintreppen und Wege verbunden sind. Ursprünglich wurde das Gebiet für Hausgärten genutzt. Große Teile, der in schmale Parzellen mit eigenen Zugängen aufgeteilten Flächen, verwilderten im Laufe der Zeit. 1986 ließ die Stadt Flensburg eine ökologische Bestandsaufnahme machen und Pläne für eine Neugestaltung ausarbeiten. Als schützenswerte Elemente wurden unter anderem eine Obstwiese und eine Reihe kurzer Wallhecken registriert. Die reizvoll gelegene Freifläche wurde, bei gleichzeitiger Sicherung der vorhandenen Biotope und Natursteinelemente, zu einem Erholungs- und Erlebnisraum für die Bevölkerung umgestaltet.

Ich liebe die lauschigen Hecken und Bäume entlang der Wege sehr. Und heute, anlässlich des „Weltbienentages“ wollte ich mal schauen, wie es in dieser Jahreszeit um die Biotope dort steht. Denn das, was jetzt im Mai insektenfreundlich blüht, ist bedeutsam für die Abfolge verschiedener Nahrungsangebote im Jahreslauf.

Wieder mit dabei: Skizzenbuch und Bleistift. Denn auch das wollte ich ausprobieren: Wie verändert sich meine Aufmerksamkeit für solche Fragen und Details beim Zeichnen? Und wie gehe ich mit der Langsamkeit (im Vergleich zum Fotografieren) um, mit der einerseits manche Momentaufnahmen nicht zu erfassen sind, gleichzeitig aber der Blick intensiver auf einem Motiv ruht? Aus anderen Zusammenhängen weiß ich: Beschränkungen regen die Kreativität an. Es könnte also sein, dass sich gerade wortschöpferisch erweiterte Ausdrucksmöglichkeiten auftun, wenn der Bleistift an Grenzen stößt.

Das Schönste zuerst: Ja, hier scheinen sich tatsächlich viele Bienen um den alten Apfelbaum wie um die duftene Wildrose in der Hecke zu tummeln, die ich bislang so in diesem Monat noch gar nicht wahrgenommen hatte: intensiver Rosenduft im Mai? Ein Hauch von Sommer! Auch richtet sich beim Zeichnen die Aufmerksamkeit viel stärker auf die Lage und freie Zugänglichkeit der Staubgefäße, was wiederum bedeutsam ist für die „Beliebtheit“ bei Insekten. Und nein: Ich habe NICHT die Kamera gezückt, um ganz schnell den Moment der „Landung“ einer Biene auf der Blüte festzuhalten. Ich habe ihr einfach still dabei zugeschaut – und mehr gesehen!

Eine Biene im Flug so zu zeichnen, dass ihre typische Bewegungsweise dabei erkennbar wird, gelingt mir nicht. Stattdessen kann ich versuchen, ein Wort zu finden, das in Bild und Klang etwas von dieser etwas „puscheligen“ sanften Flugweise ahnen lässt: windweich?

Poesie erlaubt es, mit Worten zu malen, wenn der Zeichenstift nicht weiter weiß…und Nature Journaling schenkt wunderbare Möglichkeiten, um ökologische Neugier mit einem intensiveren Erkunden durch sprachliches wie grafisches Beschreiben zu verbinden. Nach einem Rummelgang-Spaziergang macht das Notieren und Gestalten der noch frischen Eindrücke in einem der wunderbaren Cafés in der Norderstraße besonders viel Spaß!

Am Weg
hinterm Garten:
die wilde Rose,
gelb leuchtend und offen
mit lockendem Duft.

Beim dichten Gestrüpp
der verwunschenen Hecke
schwirren die Bienen
windweich durch die Luft,
von Blüte zu Blüte,
ein fliegender Wechsel
zum knorrigen Apfelbaum
gleich nebenan.

Ich weiß,
dass ich nicht alles zeichnen kann,

nicht dieses Gesumm,
nicht die Landung, so zart.

Doch in jedem Strich
wohnt die Freude daran.

Susanne Brandt

P.S.: Noch unentschieden bin ich, ob ich hier und da mit Farben arbeite oder bewusst bei Bleistiftskizzen bleibe. Die gelbe Rose war verlockend für einen Versuch…aber der Reiz der Beschränkung und Reduzierung auf das Wenige, das nicht alles zeigen kann und muss, überzeugt mich eher…

Mehr zu Nature Journaling auch hier: https://waldworte.eu/2023/05/18/nature-journaling-wahrnehmen-zeichnen-worte-erfinden/

Auch interessant zum Thema Nature Journaling und Poesie:
https://weismueller-photography.com/2020/12/21/naturejournaling-and-haiku/

 

Susanne.brandt

Bedenkt und entdeckt das Leben in Lübeck oder unterwegs - am liebsten zu Fuß und in der Begegnung mit anderen. Lernt, schreibt, singt, erzählt, teilt und lässt sich jeden Tag vom Möglichen überraschen. Weitere Informationen: https://de.wikipedia.org/wiki/Susanne_Brandt