Gut leben mit Imagination und Empathie – ein weihnachtliches Leseerlebnis

Die Bücher von Ulrich Grober rund um das Thema Nachhaltigkeit begleiten mich schon seit einigen Jahren (s. Links am Ende dieses Beitrags). Der Publizist versteht es in besonderer Weise, die sonst vor allem technisch, naturwissenschaftlich und politisch ausgeloteten Fragen zur Zukunftsgestaltung mit philosophischen, kultur- und sprachgeschichtlichen Gedanken zu verbinden – sehr gern auch mit Bezügen zu seinen Wandererfahrungen und dem dabei so intensiv spürbaren Erleben der Welt mit allen Sinnen.

Wer mich kennt, weiß, dass auch für mich viele Ideen zur Gestaltung von Nachhaltigkeit nicht am Schreibtisch, sondern im täglichen Bewegtsein beim Zufußgehen ihren Anfang nehmen. Insofern finde ich gerade diesen in seinen Büchern aus wechselnden Perspektiven dargestellten Zusammenhang so gut nachvollziehbar und überzeugend. Auch in seinem neuen Buch „Die Sprache der Zuversicht. Inspirationen und Impulse für eine bessere Welt“

Der Autor teilt mit wohl vielen seiner Leserinnen und Lesern die Beobachtung, dass Begriffe, die aktuell das große Thema Nachhaltigkeit in Politik und Werbung, bei Ethik- und Umweltfragen, in sozialen und globalen Krisen zu fassen suchen, schnell eine inflationäre Verbreitung erleben und dabei ebenso schnell verwässern oder verflachen können. Gleichzeitig geht es um komplexe, mehrschichtige Zusammenhänge, die – nicht zuletzt in der verknappten Sprache der sozialen Medien – solche Schlüsselwörter brauchen, um schnell zur Sache zu führen und griffige Botschaften zu transportieren.

 

Im Vertrauen, dass das Leben gut ist

Was dabei oft zu kurz kommt, ist die Tiefenbohrung zur Herkunft und Verwendung dieser Begriffe – nicht nur aus Liebe zum sprachwissenschaftlichen Detail, sondern vielmehr als Weg einer tieferen Erkenntnisgewinnung zur Entwicklung von Gedanken und Ideen der Weltbeziehung und Lebensgestaltung, die sich aus der Sprach- und Kulturgeschichte schöpfen lässt.

Zwei Annahmen bzw. Grundhaltungen bilden dabei ein unerschütterliches Fundament: Das Staunen über die Schönheit der Erde in der Gesamtschau wie im kleinsten Keimling und das Vertrauen darauf, dass das Leben gut ist. Beide Annahmen sind hier nicht zu verstehen als individuelle Weltanschauung mit persönlichem Wohlfühlversprechen, sondern als Beziehungsgeschehen, das zur Vision vom guten Leben für alle führt.

Auf dem Weg dahin werden also Begriffe wie Empathie, Generationengerechtigkeit und Konvivalität (um nur einige zu nennen) wichtig und auf ihre Bedeutung hin abgeklopft.

Eine in meinen Augen besonders markante Darstellung zum Anliegen des Buches lässt sich auf S. 238 finden. Da heißt es:

„Die Optionen auf eine lebbare, wünschenswerte Zukunft offenzuhalten, ist die Essenz von Nachhaltigkeit. Nicht die „Ressourcen“ selbst sind das Wichtige. Sich zu sorgen, dafür zu sorgen, sorgfältig darauf zu achten, dass die Zugänge zu den Quellen des guten Lebens und des Glücks nicht verschüttet werden und versiegen, sondern dauerhaft erhalten bleiben, darum geht es. Wir brauchen die geistigen Tools, die Werkzeuge, die Zugänge öffnen zu den immateriellen „Ressourcen“ der Existenz. Ohne diese Werkzeuge bleiben die Zugänge verschlossen. Deswegen sind sie selbst so kostbar. Der sense of wonder, das Sensorium für den Zauber der Welt, ist so ein Tool. Einfühlungsvermögen, Empathie und Vorstellungskraft, Imagination, sind weitere wertvolle Werkzeuge. Ohne die Grund- und Passwörter einer Sprache der Zuversicht bleiben deren Potentiale wirkungslos.“

 

Einfühlungsvermögen und Vorstellungskraft

Immaterielle „Ressourcen“ der Existenz? Offenheit für Optionen, für Imagination und Empathie? Das Buch beantwortet nicht im Sinne einer „To-do-Liste“, was konkret zu tun ist, um nachhaltig zu leben und zu handeln. Denn auch das zeigt der Blick in die Geschichte, in der solche Handlungsoptionen schon sehr viel früher zur Sprache gekommen sind, als wir vielleicht ahnen: Wie wir diese Optionen und Visionen mit Leben füllen, mit anderen teilen und in Handlungen umsetzen – das muss zu jeder Zeit beweglich und aufmerksam neu ergründet und erprobt werden.

Das ist besonders für Kunst-/ Kulturschaffende bzw. -liebende eine Herausforderung und Chance, die noch nicht überall in ihrer Tiefe und Bedeutung wahrgenommen worden ist: Zugänge schaffen zu unseren existenziellen schöpferischen Möglichkeiten durch das Sensorium für den Zauber der Welt.

Die hier beschriebene Zuversicht – so meine Interpretation nach der Lektüre – nimmt das Gelingen nicht vorweg und stützt sich nicht auf hurtige Versprechen oder schöngefärbte Vorhersagen. Sie wird vielmehr von der Kraft einer Sprache lebendig gehalten, die den Blick und das Verstehen in mehreren Dimensionen und Zeitebenen öffnet und uns dazu befähigt, ermutigende Visionen zu entwickeln, zu teilen und in guter Kommunikation mit anderen zu gestalten.

Wie daraus mit unseren Händen ein Handeln wird – das kommt in den abschließenden Ausführungen des Buches zum „Handabdruck“ als konstruktiv und kreativ aufzugreifendes Symbol im Nachhaltigkeits-Diskurs auch zur Sprache.

Alles das ist nicht einfach. Damit werden wir nie fertig. Aber anfangen können wir damit jeden Tag neu – und zuversichtlich.

 

Susanne Brandt

 

Beiträge mit Bezug zu weiteren Büchern von Ulrich Grober:

https://waldworte.eu/2016/09/11/die-entdeckung-der-nachhaltigkeit-reisebeschreibung-durch-ein-spannendes-buch/

https://waldworte.eu/2020/09/21/was-beim-gehen-geschieht-zwei-buch-tipps/

https://waldworte.eu/2017/01/02/zum-neuen-jahr-nachdenken-ueber-vorsaetze/

 

Susanne.brandt

Bedenkt und entdeckt das Leben in Lübeck oder unterwegs - am liebsten zu Fuß und in der Begegnung mit anderen. Lernt, schreibt, singt, erzählt, teilt und lässt sich jeden Tag vom Möglichen überraschen. Weitere Informationen: https://de.wikipedia.org/wiki/Susanne_Brandt