Im Jahreslauf: Natur lieben lernen mit Sprache und Spiel

Ein Waldspaziergang an einem kalten Herbst- oder Wintertag: Schau dich um. Was siehst du? Spitz die Ohren. Was hörst du? Atme tief durch. Was riechst du? Wir könnten nicht darüber nachdenken, davon erzählen oder schreiben – ohne Wörter. Ohne jene Wörter, die uns helfen, solche Wahrnehmungen zu benennen, lässt sich auch nicht so leicht verstehen und beschreiben, wie in der Natur alles miteinander zusammenhängt. Oder wie und warum uns etwas berührt, erstaunt, glücklich, nachdenklich oder sorgenvoll werden lässt. Sprache und Naturbeziehung, Emotionen, Fantasie und Vorstellungskraft für das Wesen des Lebendigen hängen auf vielfältige Weise miteinander zusammen.

Ganz praktisch konnten wir 2021 einen ganzen Sommer lang in vielen Bibliotheken von Schleswig-Holstein etwas davon erleben: beim „Baumzauber“ mit Nadia Malverti und Susanne Orosz zum Beispiel. Da haben Kinder, aber auch Erwachsene, erspürt und entdeckt, welche Strukturen, welche Zeichen und Bilder sich aus der Rinde eines Baumes herauslesen lassen. Und mit den Wörtern, die ihnen dabei in den Sinn kamen, haben sie Geschichten erzählt und aufgeschrieben. Auf „Erzählwegen“ ließ sich anschließend etwas davon betrachten und nachlesen.

Auch bei anderen „Wildwuchsgeschichten“ spielt die Sprache in Verbindung mit Naturwahrnehmungen eine bedeutende Rolle – wenn z.B. Baumwörter aus der Natur sprachspielerisch aufgegriffen, geformt und poetisch gestaltet werden als eine Art Akrostichon. Das Bild hier zu dem Naturbegriff  „Astnarben“ zeigt ein Beispiel dazu.

Kleiner Ausflug in die Philosophie

Interessante Anstöße für ein Nachdenken über Sprache, Poesie und Natur lassen sich in den Veröffentlichungen des Philosophen Andreas Weber finden. Er beschäftigt sich mit dem Verhältnis des Menschen zur Natur und fragt danach, wie sich ein Bild der menschlichen Kreativität in einem lebendigen Kosmos zeichnen ließe. In seinen Büchern geht es immer wieder um die Beziehung und Verbundenheit zwischen Biologie und Kunst, Natur und Sprache, Körper und Seele. Dabei nimmt er geläufige Begriffe wie „Umwelt“ kritisch unter die Lupe, drückt sich darin doch sprachlich etwas aus, was nicht ein Teil von uns, sondern außerhalb und abgetrennt von uns zu sein scheint. Sein Thema ist der beständige Austausch von Energie, Stoffen und Erscheinungsweisen, was auch das Poetische in der Natur mit einschließt. In einer so verbundenen Welt ist Poesie die Realisierung des Ganzen in einem beliebig kleinen Fragment.

Kartenspiel-Tipp: Die verlorenen Wörter. Spielend durch die Poesie der Natur

Was wäre, wenn die Wörter für die lebendige Natur unbemerkt aus der Sprache , den Märchen und Geschichten, der Wirklichkeit verschwänden?

Unter dieser Fragestellung erlaubt ein besonderes Kartenspiel einen wiederum neuen spielerischen Zugang zum Thema. Der Autor von „Die verlorenen Wörter. Spielend durch die Poesie der Natur“ geht davon aus, dass alles, was wir nicht benennen können, auch an Wertschätzung verliert: Eisvogel, Brombeere, Zaunkönig – zur Artenvielfalt gehört ein vielfältiger Wortschatz, der durch uns gepflegt und lebendig gehalten sein will. Genau davon findet sich bei diesem Spiel nun etwas wieder auf einzelnen Karten mit feinen Aquarellen und poetischen Texten zu eben solchen Wörtern für Pflanzen und Tiere. Jugendliche und Erwachsene mit Sinn für Poesie und Natur können  nach der beiliegenden Anleitung mit den Karten ins Spiel kommen. Gerade jetzt an den langen Abenden der Winterzeit. Davon abgesehen ist jedes Gedicht, auch hier als Akrostichon gestaltet, für sich eine wunderbare Anregung, um selbst nach Wörtern in der Natur zu suchen und poetisch damit zu experimentieren. Ähnlich wie bei dem Sprachbild von den Astnarben im Wald…

Bei der Instagram-Weihnachtsaktion von RENN Nord wird das Spiel in diesem Jahr als Tipp für die Advents- und Weihnachtszeit empfohlen – zum Ausleihen in den Büchereien oder auch als Weihnachtsgeschenk.

Susanne.brandt

Bedenkt und entdeckt das Leben in Lübeck oder unterwegs - am liebsten zu Fuß und in der Begegnung mit anderen. Lernt, schreibt, singt, erzählt, teilt und lässt sich jeden Tag vom Möglichen überraschen. Weitere Informationen: https://de.wikipedia.org/wiki/Susanne_Brandt