Mit Fantasie nach Anderswohin. Ein Interview mit der Kinderbuchautorin Eva Korhammer

Foto: Julia Korhammer

Das bleibt (nicht nur) in der Corona-Zeit wertvoll und wichtig: der Dialog der Generationen. Froh und dankbar bin ich, dass ich in den letzten Wochen ein Interview mit der Kinderbuchautorin Eva Korhammer (geb. 1932) führen konnte. Seit mehr als 50 Jahren (!) teilt sie ihre Freude an Tiergeschichten mit Kindern. Und auch jetzt, da sie keine Lesereisen mehr unternimmt, bei denen sie viele Jahre lang immer wieder mit Schülerinnen und Schülern direkt ins Gespräch gekommen ist, liegt ihr der Austausch der Generationen und das gemeinsame Fabulieren weiterhin am Herzen. Wie das gehen könnte? Davon erzählt sie in diesem Interview:

 

Liebe Eva, es gibt sowas wie ein kleines Jubiläum: Vor genau 10 Jahren – also 2010 – hast du dich an einem Schreibwettbewerb für eine Anthologie mit Naturgeschichten beteiligt. Die Gemeindebücherei Westoverledingen war damals gerade mit dem Bundespreis „Generationendialog in der Praxis“ ausgezeichnet worden – weil es dort gelungen war, Menschen aus verschiedenen Generationen zum Thema Naturgeschichten in einen lebendigen Austausch miteinander zu bringen. Das Buch, für das im Wettbewerb eine Spinnengeschichte von dir ausgewählt worden war, gehört als ein Baustein zu diesem Engagement dazu! Das war der Anfang eines Austausches zwischen uns, der bis heute anhält.

Aber das war ja nicht der Anfang deines Engagements als Autorin. Dein Anfang mit Tiergeschichten für Kinder liegt noch sehr viel länger zurück – mehr als 50 Jahre! Inzwischen kennen also schon mehrere Generationen deine Bücher und Geschichten. Kannst du uns ein bisschen davon erzählen?

Eva KorhammerAngefangen hat es 1969, bei einem Ischia-Urlaub mit unserem vierjährigen Justin. Alle mitgenommenen Kinderbücher waren ausgelesen. Da meinte Justin: „Mama, du schreibst doch Bücher, da kannst du mir doch jeden Tag eine Geschichte erfinden.“

Uff! Mein erster Roman war für Erwachsene. Woher sollte ich so schnell für zehn restliche Ferientage Kindergeschichten nehmen? Ein grüner Hupfer neben mir im Gras schenkte mir die Idee: ein sehr kleines Tier mit viel Mut und großem Hunger musste her, am besten noch kleiner und frecher als dieser Grashupfer. EIN FLOH!                            

Dass meine FLOHGESCHICHTEN, gefolgt von -zig Büchern über abenteuerliche Vorkommnisse bei den Geschöpfen aus GOTTES Tiergarten, fünf Jahrzehnte später immer noch in den Büchereien stehen, beweist, dass der grüne Hupfer mir damals einen großartigen Weg gezeigt hat:  TIERE SIND WIE WIR!  

 

Tiere sind wie wir – ich verstehe das bei deinen Geschichten so: Es gelingt dir beim Erzählen, Empathie zu wecken für alles Lebendige, die verletzlichen, wie die starken oder komischen Seiten zu zeigen. Bei aller Fantasie, durch die Humor und Spannung in deine Geschichten kommt, ist oft auch eine Botschaft darin verpackt, die auf biologische Zusammenhänge verweist – eher spielerisch, unaufdringlich und schon gar nicht mit erhobenem Zeigefinger.

Da viele deiner Geschichten in verschiedenen Büchern veröffentlicht wurden, hast du ja nicht nur deinen eigenen Kindern solche Geschichten erzählt. Woran erinnerst du dich, wenn du an Lesereisen zurückdenkst, die du ja früher häufig unternommen hast?

Eva Korhammer: Tatsächlich war jede Schullesung wieder eine neue Bestätigung für mich, dass Kinder dieses „TIERE WIE WIR“ nicht nur mühelos, sondern auch mit viel Spaß umsetzen können. Eine Flohfamilie, die mit ihren zehn Kindern keine Wohnung findet, ein wasserscheuer Pinguin, eine verirrte Spinne – da steckt fast immer genügend Wiedererkennungswert drin. Um den festzuhalten, habe ich die Kinder oft mitzeichnen lassen, und später legten wir die Bilder aus und stellten fest, dass jeder beim Zuhören seine eigene „Kamera im Kopf“ betätigt hatte.

 

Heute gehst du nicht mehr auf Reisen. Wenn ich heute Kindern in der Bibliothek eine Geschichte von dir vorlese oder erzähle – wie z.B. im vergangenen Jahr bei den „Aktionstagen Nachhaltigkeit“ in der Stadtbibliothek Flensburg – dann könnten die Kinder, die dort zuhören, deine Urenkel sein. „Generationendialog“ mit deinen Tiergeschichten – das umfasst inzwischen also vier Generationen! Und damit dabei weiterhin ein Dialog, ein Austausch möglich ist, hast du dir etwas Besonderes ausgedacht. Du nennst deine Idee „Anderswohin-Geschichten“. Um was geht es da genau?

Eva Korhammer: Weil ich inzwischen hochbetagt bin, bleibe ich zu Hause und verschicke im Netz Tiergeschichten zum Fortsetzen, Weiterspielen, Auf-den-Kopf-Stellen. Hauptsache, wir bleiben über TIERE WIE WIR in Verbindung.

Dann werden wir gemeinsam immer wieder erstaunt, belustigt oder nachdenklich feststellen, dass es bei Affen oder Schnecken oder Schlangen unter Umständen ähnlich zugehen kann wie bei uns oder bei den Nachbarn. Auch Tieren geht es nicht immer gut, sie werden nicht immer verstanden, sie leiden oder sie laufen weg.

Wir sollten uns um sie kümmern!

 

Wer an Eva Korhammers „Anderswohin-Geschichten“ interessiert ist, findet weitere Informationen und Kontaktmöglichkeiten hier: http://kibuko.de/willkommen/

 

Susanne.brandt

Bedenkt und entdeckt das Leben in Lübeck oder unterwegs - am liebsten zu Fuß und in der Begegnung mit anderen. Lernt, schreibt, singt, erzählt, teilt und lässt sich jeden Tag vom Möglichen überraschen. Weitere Informationen: https://de.wikipedia.org/wiki/Susanne_Brandt