Hooger Halligsommer: Das Lied vom Mond am Meer

Das Lied vom Mond am Meer gehört für mich in mehrfacher Hinsicht zum Hooger Halligsommer 2018. Der Text hat eigentlich schon einen älteren Ursprung, geht auf Bilder in einem Märchen von W. Scharrelmann zurück, der einst seine Mondgedanken eher mit dem Moor bei Bremen als mit dem Meer in Verbindung brachte. Aber vielleicht gleichen sich unsere Monderfahrungen unabhängig von der Landschaft in einem wesentlichen Punkt:

Was mit dem Mond Einzug halten und die Gestimmtheit in Häusern und bei Menschen verändern kann, ist eine stille Aufmerksamkeit und ein Vertrauen in das, was uns nicht immer direkt, sondern mitunter in indirekter Weise „ein Licht aufgehen lässt“. Der Mond strahlt ja nicht aus sich selbst heraus, sondern fängt sozusagen das Licht der Sonne ein (um im Bild des Märchens zu bleiben), behält dieses Licht dann nicht allein für sich, sondern lässt andere daran teilhaben – gerade auch dann, wenn die Sonne bereits aus dem Blickfeld verschwunden ist. Der Mond kommt einem manchmal wie ein stiller Wegbegleiter vor, wirkt eher zurückhaltend und wird von vielen als milde empfunden. Das ist sein Geschenk: die unaufgeregte Ruhe, die der Seele und der Sehnsucht Nahrung gibt:

Mond am Meer

Der Mond am Meer spinnt Silberfäden
und wirft sie nachts zum Fischfang aus,
will gerne bei den Menschen wohnen
und kennt die Not in manchem Haus.

Er bringt sein Licht in dunkle Stuben,
klopft leise an die Küchentür.
Wird er mit Freundlichkeit empfangen,
dann deckt er reich den Tisch dafür.

Er zaubert Töne mit dem Mondhorn,
wenn mal ein Kind nicht schlafen kann
und viele schöne Träume fangen
mit seinen Mondhornliedern an.

Nicht alle heißen ihn willkommen.
Dann zieht er fort und bleibt allein.
Doch wo sich ihm die Türen öffnen,
da schaut er sicher bald herein.

Susanne Brandt (inspiriert von einem Märchen von W. Scharrelmann)

Man kann den Mond auch aussperren, Ruhe nicht zulassen, sich verschließen vor dem, was in der Stille geschehen kann. Aufdrängen wird sich der Mond nicht. Sein Licht dringt nicht durch alle Ritzen. Auch das gehört zu seinem Wesen.


Gemeinsam gesungen wurde das Lied vom „Mond am Meer“ auf Hallig Hooge Anfang Juli mit einer Jugendgruppe aus der Schweiz. Für mich wurde nicht nur dabei zugleich die verbindende Kraft des Mondes spürbar. Denn während die Sonne in verschiedenen Regionen der Welt mit unterschiedlicher Intensität das Leben prägt, wird der Mond in verschiedenen Regionen der Welt als stiller unaufdringlicher Gefährte der Nacht oft in ähnlicher Weise wahrgenommen, wenn auch in verschiedenen mythologischen und symbolischen Zusammenhängen unterschiedlich beschrieben und mit Bedeutungen verbunden.

„Wir sehen alle den selben Mond“, habe ich bereits vor einiger Zeit gemeinsam mit einem Freund aus Afghanistan im Rahmen eines kleinen Sprach-Projekts festgestellt und zweisprachig zu beschreiben versucht. Und mit anderen Freunden aus anderen Ländern ist es ähnlich: Der Mond taugt als gemeinsamer Bezugspunkt, regt immer wieder zum Austausch, zum gemeinsamen Erinnern und Staunen an.

Hooge und der Mond: dazu gehörte in der Nacht vom 27. auf den 28. Juli 2018 auch das Erlebnis der Mondfinsternis mit dem sogenannten „Blutmond“, wie er besonders in der Zeit zwischen 22.45 und Mitternacht über dem Wattenmeer in Erscheinung trat. Ein Erlebnis für alle Sinne: Die alte Backsteinmauer in meinem Rücken strahlte ganz viel Wärme der Sonne ab. Der Mars funkelte am Nachthimmel und der Mond zeigte den langsamen Wandel vom Schatten zum Licht beim Rauschen von Meer und Wind, in das sich einzelne Vogelstimmen mischten. Das alles zusammen kann keine Kamera einfangen. Aber das Mondfoto, das Klaus-Uwe in dieser Nacht gelungen ist, erinnert an eine Nacht, in der so vieles in seltener Konstellation zusammenwirkte.

Foto: Klaus-Uwe Nommensen

Eigentlich gilt das ja auch für andere, viel weniger spektakuläre Augenblicke: Nichts in der Natur und im Leben wiederholt sich in der exakt gleichen Weise. Jede Konstellation ist so, wie sie sich für einen Moment ergibt, einzigartig, wenn man die Wahrnehmung auf verschiedene Elemente, Veränderungsprozesse und Wechselwirkungen richtet. Uns daran zu erinnern – auch das kann ein Geschenk des Mondes sein.

Susanne Brandt

Susanne.brandt

Bedenkt und entdeckt das Leben in Lübeck oder unterwegs - am liebsten zu Fuß und in der Begegnung mit anderen. Lernt, schreibt, singt, erzählt, teilt und lässt sich jeden Tag vom Möglichen überraschen. Weitere Informationen: https://de.wikipedia.org/wiki/Susanne_Brandt