Hradec Králové (Königsgrätz) in Ostböhmen ist etwas Besonderes: Jung ist die Stadt durch die vielen Studierenden, die sich nicht nur auf dem neuen Campus tummeln, sondern z.B. ebenso mitten auf dem Markt im Neuen Adalbertinum ein und aus gehen und den ganzen Tag den Klang ihrer Instrumente aus den Musikzimmern über den Hof wehen lassen. Schon der Dichter Karel Capek hat hinter diesen Mauern gelernt.
Und das Leben in diesem ehemaligen Jesuiten-Kolleg reicht noch sehr viel weiter zurück: Alt ist die Stadt durch ihre lange Geschichte, die sich vor allem an der Baukunst aus verschiedenen Epochen ablesen lässt. Sie spricht durch viele kleine Details, die sich den Betrachtenden zeigen, wenn sie langsam und aufmerksam durch die Stadt gehen, vielleicht zwischendurch an einem der vielen Plätze und grünen Winkel für einen Moment verweilen. Denn dazu lädt diese kleine Perle an der Elbe ein: Halte inne und schau genau hin! Auch die Frau mit den goldenen Haaren vor dem Theater wird dann nicht verborgen bleiben. Seit 1996 steht sie dort. Leicht nach vorn geneigt mit gespannter Aufmerksamkeit. Der tschechische Bildhauer Olbrama Zoubka hat sie geschaffen – viel später als all die alten Mauern um sie herum. Hier wie überall in dieser Stadt offenbart sich der Wandel der Zeiten unverdeckt den Augen und Deutungen all jener Menschen, die bereit sind, die wechselvolle Geschichte und Geschichten der Stadt mit Muße und sensiblen Sinnen zu lesen. Oder hinter der fremden Sprache Vertrautes zu ahnen – denn auch davon kann die fremde Frau auf ihre Weise erzählen …
Begegnung vor dem Theater
Das Gold der Türme liegt auf ihrem Haar.
Mit welchen Worten kommt sie mir entgegen?
Wer ruft ihr zu? Die Stadt scheint jung und wach,
will sich mit dem, was war, nun frei bewegen.
Die bunten Häuser lauschen in den Tag.
Sie alle haben eigene Geschichten.
Ein Sprachgemenge wohnt in jedem Stein,
von Krieg und Frieden können sie berichten.
Ich ahne langsam und mit jedem Schritt,
den ich treppauf und durch Arkaden gehe:
Es bleibt Gebot, zu hören ohne Hast
und achtsam zu befragen, was ich sehe.
Denn viele Plätze laden dazu ein,
im Gold ein warmes Zeichen zu erkennen.
Die Frau erzählt mir nichts von Prunk und Macht.
Und es kann sein, dass wir uns Schwestern nennen.
Susanne Brandt
(Zu einer Figur des tschechischen Künstlers Olbrama Zoubka, die seit 1996 auf dem Vorplatz des Theaters von Hradec Králové steht)