Leuchtturmliebe – und andere Geschichten vom Licht an den Meeren

BALI
Foto: S. Brandt

Leuchttürme sind Hoffnungszeichen. Ihr Lichtschein bleibt, wenn ringsum alles schwarz und stürmisch scheint. Sie wirken widerständig, verlässlich – und wissen zugleich Geschichten von Einsamkeit, Geduld und Sehnsucht zu erzählen. Denn wer in einem Leuchtturm wohnt, hat meistens keine Nachbarn und mitunter etwas Mühe, mit den Grenzen von kleinen Kammern und Vorräte zurecht zu kommen. Da müssen manche Wünsche und Träume auf die passende Wetterlage warten – oder anders gesagt: Sie dürfen sich Zeit lassen, um langsam an Form und Farbe zu gewinnen. Denn für Wünsche und Träume bietet der weite Blick nach draußen grenzenlos Raum.  Das beflügelt die Fantasie – und die ist bekanntlich das wichtigste Grundnahrungsmittel für jede Geschichte.Vielleicht ist deshalb die Zahl von Leuchtturmgeschichten so groß. Allein in der Kinderliteratur fallen einem schnell zwanzig oder mehr Geschichten und Gedichte ein, die von Leuchttürmen erzählen.

Nur eine ganz kleine Auswahl davon möchte ich hier heute vorstellen – weil Leuchttürme zum Leben und Schreiben an der Küste einfach dazu gehören. Und weil ihr Licht besonders jetzt, wenn die Tage kürzer, die Dunkelheit länger und die Stürme wilder werden, eine deutliche und zugleich geheimnisvolle Sprache spricht.

Leuchtturm-Orte

Leuchtturm HummerklippenIch fange an mit jenen Leuchtturmgeschichten, die nicht irgendwo an allen Küsten der Welt spielen könnten, sondern untrennbar mit einem bestimmten Ort oder Landstrich verbunden sind:  So wie der Leuchtturm auf den Hummerklippen zum Beispiel. Der Helgoländer Autor James Krüss hat ihm gleich mit mehreren Geschichten einen prominenten Platz im Regal der Kinderbuch-Klassiker gesichert. Da erfährt der 8-jährige Boy in „Gäste auf den Hummerklippen“  durch Gedichte und Geschichten allerlei von bemerkenswerten Menschen: Es geht um eine rätselhafte Flaschenpost, um seltsame Fabelwesen und den Weg der Elbe durch Land und Zeit.

KleinerLeuchtturm_Cover_front-300x224Auch im Buch „Der kleine Leuchtturm. Eine fast wahre Geschichte“ von Karin Buchholz dreht sich alles um einen „echten“ Leuchtturm, der heute zwar nicht mehr als Leuchtfeuer in Betrieb ist, aber noch immer fest verwurzelt an der Ostseeküste im Norden von Schleswig-Holstein steht und dort der Autorin als Rückzugsort mit Traum- und Weitblick zum Schreiben dient. Lichter werden von hier aus – im übertragenen Sinne – also noch immer in die Welt geschickt: durch Gedichte, Geschichten und kleine Bücher.  Dabei richtet sich das neuste, im Sommer 2016 erschienen, auch an Kinder – aber mehr noch an Menschen, die gemütliche Vorlesestunden für jedes Alter lieben.  Mit großer Fabulierfreude und norddeutschem Humor hat die Autorin ihrem markanten Domizil Leben eingehaucht. Und was lebt, hat auch Gefühle, erfährt Not und Hilfe, Freundschaft und Vertrauen.  Die mit eigenen Zeichnungen der Autorin illustrierte Geschichte lässt sich am besten als eine „Geschichte zum Verschenken“ beschreiben – für große wie für kleinere Menschen, die mit der persönlichen Weitergabe des Buches den Wunsch verbinden, dass nach turbulenten Zeiten am Ende alles wieder in Ordnung kommt. Ohauehaueha – ganz schön aufregend, das Leben im Sturmwind des Meeres!

Ebenfalls an der Ostsee spielt auch die in Versen erzählte Geschichte der Leuchttürme von Warnemünde und Gedser, auf der CD „Die Maus im Fernrohr“ gesungen von dem Liedermacher Wolfgang Rieck und als Text nachzulesen in dem schön gestalteten Booklet: „Die Leuchttürme von Warnemünde und Gedser, die lieben sich lang schon so sehr. Sie können zusammen nicht kommen; dazwischen liegt ja das Meer…“ Wie es mit der „Leuchtturmliebe“ weitergeht, wird hier nicht verraten. Nur so viel: Die kleine Ballade lässt sich mit Kindergruppen wunderbar nachspielen. Hier eine kleine Anregung dazu: Bewegungsspiel zu Leuchtturmliebe

Leuchtturm-Begegnungen

Es gibt – wie das Lied von Wolfgang Rieck – viele Leuchtturm-Geschichten, die sich einreihen in eine Sammlung ganz unterschiedlicher Begebenheiten. Sie alle erzählen von ganz unterschiedlichen Begegnungen – und oft erweisen die sich gerade im Leuchtturm als besonders dichte und intensive Erlebnisse.

So werden die Büchereien in Schleswig-Holstein und anderswo, die in diesem Jahr wieder an der landesweiten Vorleseaktion „Dezembergeschichten“ teilnehmen, in ihrem dafür erarbeiteten literarischen Adventskalender am Tag Nr. 9 die Geschichte  von Thomas Krüger „SOS Weihnachtsbaum“ finden:  Der Weihnachtsbaum in der Leuchtturmstube von Fiete und Marie bringt in jedem Jahr schon vor Weih­nachten etwas Licht und Wärme in die raue Einsamkeit auf hoher See. Nur in diesem Jahr verhindert eine Panne die gewohnte Lieferung. Marie steht mit ihrer traditionellen Fischpfanne schon vor der Tür – da kommt der Weihnachtsbaum plötzlich per Hubschrauber aus der Luft. Und die Christbaumkugeln in Fisch­form finden endlich genau den Platz, für den sie gemacht sind! Wie bei jeder „Dezembergeschichte“ wird auch zu dieser eine Mitmachidee für 31VKevoEPOL._BO1,204,203,200_Schulklassen vorgeschlagen, die das Vorlesen ergänzen kann: www.dezembergeschichten.de

Sommerlicher geht es dagegen bei der Leuchtturmbegegnung in „Luftpost für den Leuchtturmwärter“ zu, die in Hochdeutsch wie in ostfriesischem Platt erschienen ist. Hier findet Meta Möwe nicht nur in Piet einen guten Freund, sondern kann am Ende auch mit ihrem geliebten Tauberich an der Hafenmauer hocken – dank Leuchtturm-Dienst!

 

Leuchtturm-Bilderbücher

Lied von der SehnsuchtVon den Leuchtturm-Bilderbüchern liebe ich persönlich besonders „Warten auf Seemann“ – so sehr, dass ich der Geschichte für das Vorlesen ein kleines Lied vom Warten am Meer geschenkt habe.Darum geht es: Mattes, der Leuchtturmwächter, wartet auf Seemann. Denn der will irgendwann mit ihm auf große Fahrt gehen. Die Zeit vergeht. Mattes braucht viel Geduld – und die Kraft der Hoffnung. Dann aber, als der Mond schon am Himmel steht, ist Seemann da., erzählt von fernen Ländern, und es „hängt schon ein bisschen Morgen in der Luft“, als sie zum Schiff gehen. Beim Leuchtturm zurück bleiben Rose und Felix. Und die fangen jetzt an, auf Mattes zu warten…Eine Geschichte von Einsamkeit und Abschied, von Sehnsucht und einem Vielleicht, das zwischen den Zeilen steht.

isol-nachts-leuchten-alle-traeumeEher assoziativ ergibt sich die Verbindung zum Leuchtturm dagegen mit dem Buch „Nachts leuchten alle Träume“ der preisgekrönten argentinischen Autorin Isol. Lauter traumhafte Geschichten können dabei sozuagen „im Schlaf“ entstehen. Was die Seiten aus festem Papier dazu beisteuern, sind wenige Worte zur Beschreibung verschiedener Träume und ein jeweils passendes Bild dazu, das erst so richtig zur Geltung kommt, wenn einem im dunklen Zimmer fast schon die Augen zufallen. Denn die Motive leuchten bei Dunkelheit, wenn sie zuvor einige Minuten lang unter einer Lampe das Licht für die dunklen Stunden „einfangen“ konnten. Damit das alles kuschelig im Liegen anzuschauen ist, hat das Buch eine etwas andere Form: Es wird wie ein Kalender oder Kniebuch über eine Ringbindung am oberen Rand Seite für Seite umgeklappt und der doppelt verstärkte Papprücken lässt sich so auseinanderklappen, dass das Buch z.B. auf einem Tisch oder Stuhl neben dem Bett stehen kann und so den Betrachtenden bis zum Einschlafen entgegen leuchtet. Die Handhabung des Buches sieht folglich auch etwas anders aus als bei einer gewöhnlichen Gutenachtgeschichte: Gemeinsam werden die „Traum-Rezepte“ zunächst betrachtet und dann überlegt, welcher Traum in dieser Nacht das Kind in den Schlaf begleiten könnte…

Ganz neu und ganz schön ist auch das folgende Leuchtturm-Bilderbuch „Eisbjörn. Das unglaubliche Abenteuer eines tapferen Mäuserichs“. Hier lässt sich einiges darüber nachlesen: http://leseweis.de/eisbjoern-das-unglaubliche-abenteuer-eines-tapferen-maeuserichs/

Und als letztes Beispiel an dieser Stelle: Martin Baltscheits „Leuchte, Turm, leuchte“. Da arbeiten der Leuchtturm Jan und der Leuchtturmwärter Sven Hand in Hand, um bei Nacht und Nebel den Weg zu weisen – bis eines Tages eine dunkelhaarige Schöne auf einem Schiff vorbeigleitet und Sven für sie seinen Posten verlässt. Drei Jahre wartet Jan auf Sven, bevor er sich selbst auf den Weg macht…Aber was passiert, wenn ein Leuchtturm seinen Platz verlässt?  Das Buch stellt die Themen Freundschaft, Partnerschaft und Treue in ein neues Leuchtturm-Licht.Viele weitere Leuchtturm-Bilderbücher sind in den Büchereien von Schleswig-Holstein zu finden!

Susanne Brandt

Die genannten Titel im Überblick:

  • Krüss, James: Gäste auf den Hummerklippen : ein neues Buch vom Wünschen und vom Träumen, vom Reisen durch Länder und durch Zeiten und von Abenteuern zu Wasser, zu Lande und in der Luft. Hamburg, 2003.
  • Buchholz, Karin: Der kleine Leuchtturm. Eine fast wahre Geschichte.  BoD 2016
  • Rieck, Wolfgang: Die Maus im Fernrohr. Darin: „Leuchtturmliebe“, CD, 2002
  • Braun, Katharina: 24 Adventsgeschichten. Darin: Thomas Krüger: „SOS Weihnachtsbaum“. 2011
  • Große-Oetringhaus, Hans-Martin: Geschichten voller Farben in Ostfriesisch Platt. 2008 (In Hochdeutsch: Brandt, Susanne: Gefühle in allen Farben. Darin: Luftpost für den Leuchtturmwärter. 2005)
  • Godon, Ingrid: Warten auf Seemann. Erzählt von André Sollie, 2001
  • Isol: Nachts leuchten alle Träume, 2015
  • Baltscheit, Martin: Leuchte Turm, leuchte! : eine Geschichte.  2005
  • Kaplan, Max / Kaplan, Lev: Eisbjörn. Das unglaubliche Abenteuer eines tapferen Mäuserichs, 2017

Susanne.brandt

Bedenkt und entdeckt das Leben in Lübeck oder unterwegs - am liebsten zu Fuß und in der Begegnung mit anderen. Lernt, schreibt, singt, erzählt, teilt und lässt sich jeden Tag vom Möglichen überraschen. Weitere Informationen: https://de.wikipedia.org/wiki/Susanne_Brandt