Seit rund 15 Jahren ist es bei mir nun schon Tradition, jedes Jahr zu Weihnachten eine neue Kindergeschichte zu schreiben bzw. nach einer alten Vorlage so zu bearbeiten, dass damit ganz verschiedene Formen des Erzählens und gemeinsamen Gestaltens angeregt werden. Alle Geschichten wurden zunächst in der Bibliothekspraxis mit Vor- und Grundschulkindern erprobt. Einige wurden anschließend in Büchern von verschiedenen Verlagen veröffentlicht und nicht wenige davon fanden so bundesweit Verbreitung, um wiederum in anderen Bibliotheken und Kindergärten des Landes ausprobiert und aufgeführt zu werden. Denn das ist das eigentlich Schöne und Spannende an dieser jährlichen „Weihnachtsgeschichten-Tradition“: Weil jede Geschichte nicht einfach „nur“ vorgelesen, sondern mit den Kindern in unterschiedlicher Weise gestaltet, gespielt und variiert sein will, wird jede Geschichte erst dann so richtig lebendig, wenn sie ihren Weg durch verschiedene Städte und Dörfer, Büchereien, Kindergärten und Schulen findet. Das gelingt nicht mit jeder – aber nach 15 Jahren zeichnet sich ab, dass folgende fünf Geschichten besonders gern und vielfältig in der Praxis zur Umsetzung kommen – und das oft über viele Jahre!
Da diese fünf „Lieblingsgeschichten“ der Vorweihnachtszeit zugleich für fünf verschiedene Formen der spielerischen Umsetzung stehen, sollen sie hier exemplarisch kurz vorgestellt werden:
1. Erzählen mit der Erzähllaterne: Ein Spatz wundert sich
Schon seit mehr als 10 Jahren ist der Spatz mit der Erzähllaterne auf Reisen. Die einfache und stimmungsvolle Form, mit leuchtenden Scherenschnitten auf Transparentpapier eine Geschichte zu erzählen, wurde erstmals 1999 in „Die Weihnachtsbühne“ vorgestellt und fand mit der Verbreitung des Buches schnell Anklang bei Erzählerinnen und Erzählern in Büchereien und Kindergärten.
2009 hieß es in dem Veranstaltungsmagazin „Vor Ort in Dudweiler“ dazu:
Am Dienstag, dem 8. Dezember, um 15.00 Uhr, brennt in der Bibliothek Dudweiler im Bürgerhaus, für kleine und große Menschen ab 5 Jahren, eine ganz besondere Laterne, die Erzähl-Laterne. Wesentlich größer als die bekannte Martinslaterne, vermag sie mit ihrem Lichtspiel viele Augenpaare gleichzeitig in ihren Bann zu ziehen. Während die Geschichte „Ein Spatz wundert sich“ erzählt wird, können die mit Scherenschnitten versehenen Sichtfenster der Laterne gedreht werden. Wechselnde Bilder, erhellt durch das tanzende Kerzenlicht, schicken die Zuschauer auf eine zauberhafte Reise. Am Ende der Geschichte vom Spatz, der sich wundert, siegt nicht nur das Licht über den Schatten. Auch können von den Teilnehmern Spatzen und viele Vögel mehr gebastelt und zum Überwintern an einen wärmenden Platz nach Hause gebracht werden.
Zum Nachlesen ist die Geschichte 2010 in dem Band „55 Vorlesegeschichten zur Advents- und Weihnachtszeit“ vom Don Bosco Verlag neu veröffentlicht worden.
Anleitung: https://www.alf-hannover.de/sites/default/files/materialien/erzaehllaterne.pdf
2. Freies Rollenspiel mit vielen Variationen: Der geheimnisvolle Weihnachtsbrief
Seit rund 5 Jahren lädt die Geschichte „Der geheimnisvolle Weihnachtsbrief“ zum freien Rollenspiel mit zahlreichen Variationsmöglichkeiten ein. Ob im Norden wie 2012 in Grömitz oder weiter südlich wie in diesem Jahr in Diersdorf – die Geschichte von Postbote Willi lässt sich sehr frei variieren und daher auch mit großen Kindergruppen sehr flexibel ausgestalten und schenkt Raum für viele Talente und Ideen der Kinder.
Aus dem Kindergarten Dierdorf wird berichtet:
In der Geschichte geht es um den Postboten Willi, ein freundlicher Mensch. Es machte ihm Spaß,die Post zu den Menschen zu bringen. Er kannte ja auch fast alle Leute aus seinem Dorf, den Bäcker, bei dem er gegen 10.00 Uhr jeden Morgen ein Rosinenbrötchen kaufte. Und er kannte natürlich die Kinder vom Kindergarten. Manchmal blieb er dort eine Weile stehen und lauschte. Denn in den Wochen vor Weihnachten klangen die Lieder der Kinder oft bis auf die Strasse hinaus. Postbote Willi liebte die Weihnachtslieder und er hörte den Kindern gern beim Singen zu. Durch ein Unglück kam bei Postbote Willi die ganze Weihnachtspost durcheinander, da sie im Fluss gelandet war, hängte er sie zu Hause im Stall neben den Schafen, Schweinen und Eseln auf eine Leine zum trocknen. Dann lud er noch in der Nacht jeden Dorfbewohner zu sich nach Hause ein, nach dem er überall im Dorf an Bäumen, Laternenmasten und Wänden Zettel angebracht hatte. Die Menschen kamen tatsächlich und brachten noch Kekse und Tee mit. Und jeder erkannte seine Post wieder.Es war nun schon spät geworden, und alle Menschen freuten sich, auch Postbote Willi war zufrieden und glücklich. Zum Schluss sangen alle miteinander noch ein Abschiedslied und gingen dann nach Hause. Die Geschichte war musikalisch durch Gitarrenbegleitung und den Gesang der Kinder und Erzieher hinterlegt.
Quelle: http://kindergarten-dierdorf.de/?p=1588
Nachlesen lässt sich die Geschichte mit Liedvorschlägen zum Mitsingen in „Neue Lieblingslieder nach bekannten Melodien“. Don Bosco, 2007
Auch als Kamishibai-Bildkartensatz erhältlich bei Don Bosco!
3. Einfaches Figurenspiel mit gefalteten Wichteln: Das Märchen vom Briefträger
Um einen Postboten geht es auch im „Märchen vom Briefträger“, das 2009 erstmals in der Praxis erprobt wurde und 2011 dann als Spielvorschlag in Buchform unter dem Titel „Spielstücke für die Advents- und Weihnachtszeit“ erschienen ist. Auch hier sind viele Varianten möglich, wobei sich als vorgeschlagene Umsetzungsform das Figurenspiel mit einfach gefalteten Wichteln aus Papier besonders anbietet. Die Grundlage bildet eine fast vergessene Geschichte des tschechischen Dichters Karel Capek. Nach einer Premiere im ostfriesischen Westoverledingen, fand sie in einer Variante, die auch nach der Weihnachtszeit noch spielbar ist, wiederum einen idealen Rahmen in der Gemeindebücherei von Mertingen. Von dort wird berichtet:
Nachdem die Bücherei vor Kurzem erst in die Räume der „Alten Post“ eingezogen war, sollte hierzu auch ein entsprechender Bezug hergestellt werden. Nach dem Büchereilied wurde den Kindern von Conni Mair deshalb das „Märchen vom Briefträger“, ein nahezu vergessener Klassiker des tschechischen Autors Karel Capek in einer Neubearbeitung von Susanne Brandt, vorgelesen. Das Märchen entführte die jungen Zuhörer in die geheimnisvolle Welt eines alten Postamtes, in dem nachts seltsame Wichtel ihre Spielchen treiben….
Bald erweisen sich die kleinen Gesellen als freundliche Helfer und tragen am Ende dazu bei, dass der Postbote, Herr Kolbaba, mit einem rätselhaften Brief zwei Menschen glücklich machen kann. Passend zur Geschichte malten die Vorschüler Ausmalbilder vom Postboten Kolbaba bunt an. Als Erinnerung an den Büchereibesuch faltete anschließend noch jedes Kind seinen eigenen kleinen Postwichtel für zu Hause….
http://www.lesen-in-deutschland.de/html/content.php?object=journal&lid=937
Buch-Tipp: Spielstücke für die Advents- und Weihnachtszeit. Don Bosco-Verlag, 2011
4. Beim Erzählen entsteht eine Krippenlandschaft: Schafe im Vogelhaus
Bei „Schafe im Vogelhaus“ schließlich geht es darum, zu einer winterlich-verschneiten Alltagsgeschichte nach und nach die Figuren einer Krippenlandschaft mit den Kindern entstehen zu lassen. Impulse dafür ergeben sich direkt aus der Handlung der Geschichte.
Eine Beschreibung der Aktion dazu ist hier zu finden:
http://www.lesen-in-deutschland.de/html/content.php?object=journal&lid=1008
Die Geschichte ist enthalten in:
Weihnachtslust oder Weihnachtsfrust? Polamedia, 2010
5. Erzählen mit Kamishibai: Benno Bär
Das jüngste und derzeit erfolgreichste Beispiel im Reigen der Advents- und Weihnachtsgeschichten ist „Benno Bär“, eine auch schon vor vielen Jahren entstandene Geschichte, die jetzt aber als Bilderbuch- und Kamishibai-Fassung ganz neue Erzählmöglichkeiten bietet. Über eine Erzählstunde mit „Benno Bär“ in der Fahrbücherei Ostholstein wird berichtet:
Alle drei Wochen kommt der Bücherbus und bringt eine neue Geschichte im kleinen japanischen Erzähltheater, das den Kleinen so einen großen Spaß macht. Im Kamishibai können die Kinder die Bilder eines Bilderbuches wie in einem kleinen Theater sehen, dazu erzählt Tabea Mau die Geschichte. Diesmal nimmt sie die Kinder mit in den Wald zu Benno Bär. Denn der hat mitten in einer eisigen Winternacht seinen Schlüssel verloren – er ist einfach nicht zu finden. Glücklicherweise kommt seine Freundin Martha Maus vorbei und will die Tür aufnagen – geht nicht. Auch Hubert Hirsch kann sie nicht aufstemmen mit seinem Geweih, Kalle Kaninchen sucht einfach erstmal den Schlüssel, aber keiner hat Erfolg. Jetzt kriegt Benno Bär Angst, denn es ist ja dunkel und er will nicht alleine sein hier draußen – also bleiben seine Kumpels bei ihm, kuscheln sich zusammen und schlafen. Als morgens die Sonne aufgeht, ist der Schnee um die Freunde geschmolzen, Martha Maus rutscht ins Wasser und landet auf dem Schlüssel. Puh, jetzt ist alles wieder gut und die Freunde machen eine große Party. Die spannende Geschichte, die liebevoll gemalten Bilder fesseln die Kinder – immer dichter rücken sie an das Kamishibai heran, kriechen fast in Benno Bärs Wald hinein und jubeln, als Martha Maus den Schlüssel endlich wiederfindet und alle gemeinsam in Benno Bärs Baumhaus Tee mit Honig trinken und feiern.
Quelle: http://www.der-reporter.de/new/?q=eutin/nachrichten/mit-benno-b%C3%A4r-im-b%C3%BCcherbus
Buch-Tipp: Susanne Brandt: Benno Bär. Don Bosco Verlag, 2013
Natürlich ist auch für 2014 schon wieder eine Geschichte in Arbeit – aber mehr wird darüber heute noch nicht verraten….
Susanne Brandt