Nature Journling mit Herbstblättern? Das ist eine kleine feine Übung (nicht nur!) für den Einstieg. Denn das Zeichnen von Blättern wirkt erstmal nicht besonders kompliziert: klare Konturen und im Herbst überall reichlich vorhandene „Blatt-Persönlichkeiten“, die sich leicht vom Boden sammeln lassen und geduldig „still halten“, solange man sich mit ihnen beschäftigen möchte – im Freien wie auch gemütlich zu Hause am Tisch mit den Schätzen vom Spaziergang.
Das Schöne dabei: Der Verwandlungsprozess, den die Blätter im Herbst gerade durchlaufen, lässt sich mit Nature Journaling nicht „einfach nur malen“, sondern ganz unmittelbar als Prozess nachvollziehen, wenn man sich die Bedeutung der Blattadern wie auch die Veränderung der Farbpigmente im Blatt bewusst macht. Es geht um eine Art „Umbau“ im Blatt, der letztendlich den Wasserhaushalt wie die im Frühjahr wieder kraftvoll beginnende Photosynthese vor der Kälte des Winters schützt. Dazu weichen die grünen Farbanteile (Chlorophyll) mehr und mehr aus dem Blatt, um gespeichert im Baum zu „überwintern“ und im Frühjahr wieder ausreichend zur Verfügung zu stehen.
Mit dem Rückzug des Grüns kommen andere Farbanteile deutlicher zur Geltung. Und weil das nicht schlagartig, sondern bis zum Absterben der Blätter allmählich geschieht, entwickeln viele Blätter „im Übergang“ interessante Muster, Schattierungen und Effekte – besonders ausgeprägt oft entlang der Blattadern, die als Transportleitungen wie als Stütze für das Blatt so wichtig sind.
Vereinfacht gesagt: Man kann sehen, dass da gerade ein elementarer Umbau im Blatt passiert, der letztendlich das Überleben des Baumes im Winter und das Neuwerden im nächsten Frühjahr sichert – und man kann diesen Vorgang mit den Farbpigmenten der Buntstifte beim Malen der Blätter ganz bewusst nachempfinden.
Zum Beispiel so:
- Fang nicht mit der Außenlinie an, sondern mit den Blattadern, die die Blätter in ihrer Form und Lebendigkeit halten und versorgen: Zeichne vom Ansatz des Blattstiels aus zunächst nur das „Gerüst“ des Blattes nach. Dann gelingt es am Ende viel leichter, die Gesamtkontur von den Spitzen der Blattadern her nachzuempfinden. Denn sie bieten für die Formgebung wertvolle Markierungspunkte.
- Auch bei der Farbgebung lernen wir von den Blättern: Das Grün bleibt flächendeckend die Grundfarbe, aber es ist im Herbst nicht mehr gleichmäßig stark im Blatt verteilt. Begonnen wird also mit unterschiedlich intensiv ausgemalten Grünflächen – von intensiv bis ganz blass. Darüber kommt dann z.B. ein leuchtendes Gelb, das dort, wo das Grün noch sehr intensiv ist, kaum zur Geltung kommt, dafür aber auf dem ganz blassen Grün umso deckender und strahlender wirkt. Andere Farbtöne des Herbstes können sich in gleicher Weise einmischen. Und vielleicht wird auch schon der braune Stift angesetzt, um vertrocknete Bereiche darzustellen.
Wer in dieser Weise den Verwandlungsprozess mit Buntstiften nachvollzieht, erreicht dabei nicht nur einen lebendig und natürlich wirkenden Bildeindruck, sondern wird sich das Grundwissen zum Umbau der Farben in den Herbstblättern so vermutlich auch leichter merken, da es mit den eigenen Händen und Augen auf dem Papier nachvollzogen werden konnte.
Viel Spaß beim Ausprobieren!
Susanne Brandt