Sonntagsmomente: Leichtes und Schweres

Es ist ein Geschenk, zwischen den Meeren zu leben. Der Alltag, das Leichte wie das Schwere, finden hier einen besonderen Raum. Jetzt im Sommer erweitert sich die Landschaft um mich herum an den Wochenenden manchmal bis hin zum Wattenmeer. Ich kann mir kaum eine andere Region vorstellen, in der die immerwährende Verbundenheit mit dem Wechsel der Lebens-Gezeiten so intensiv erfahrbar wird.

Im Verlauf der vergangenen Wochen habe ich in Flensburg das Sterben und den Tod meiner Mutter erlebt. Das berührt und bedeutet unendlich viel mehr, als ein solcher Satz auszudrücken vermag.

Die nun begonnene „Zeit danach“ wird noch lange davon geprägt sein, wenn sich auch langsam wieder das Gewohnte mit dem noch so Unvertrauten mischt.

Barfuß wandre ich durchs Watt. Bewegung und der Blick ins Weite sind gute und geduldige Trösterinnen. Wer „Boden unter den Füßen“ sucht, spürt diesen auf dem welligen Grund des Meeres beruhigend und aktivierend, verlässlich, riskant und wandelbar zugleich.

Manchmal stößt der Fuß an einen Stein. Unverhofft kitzelt eine Feder. Leichtes und Schweres so nah beieinander. Die Pastorin entfaltete bei der Trauerfeier das Bild eines Schmetterlings für das Geheimnis der Verwandlung. Auch das gehört zur „Zeit danach“: dass wir so wenig wissen und so viel sehen und erlauschen, ahnen oder spüren. Dass wir das Brüchige wahrnehmen und gleichzeitig erkennen, dass nichts ins Bodenlose sinkt. Es gibt ein „Tiefer und Tiefer“ ebenso wie die unermessliche Weite des Himmels über dem Watt.

Die leichte Feder und der schwere Stein – Himmel und Erde lassen sich nicht trennen, vielleicht  naturwissenschaftlich „auseinandernehmen“, um am Ende doch nicht losgelöst voneinander zu bleiben. 

Die Ethik und die Philosophie, die Biologie und die Theologie sind gute Begleiterinnen auf dem Weg durchs Watt, geübt darin, aus verschiedenen Perspektiven von Leben und Tod zu erzählen.

Und sie haben Helferinnen: die Muscheln und die Vögel, die zarten Spuren und die schroffen Kanten an der Küste. 

Und manche mehr vielleicht, noch unentdeckt. Ich werde sehen…

 

Susanne Brandt

Susanne.brandt

Bedenkt und entdeckt das Leben in Flensburg oder unterwegs - am liebsten zu Fuß und in der Begegnung mit anderen. Lernt, schreibt, singt, erzählt, teilt und lässt sich jeden Tag vom Möglichen überraschen. Weitere Informationen: https://de.wikipedia.org/wiki/Susanne_Brandt