#wirsehenPfingstrot – zu Pfingsten

Anders umgehen mit dem Vertrauten – das gehört zu den prägenden Erfahrungen in diesem Frühjahr. Auch mit Pfingsten erlebe ich das so. Ich mag das Fest. Es bedeutet mir mehr als andere kirchliche Feste. Vertraut ist es mir gerade durch das nie ganz Fassbare, das mich wiederkehrend „bewegt“. Zum ersten Mal aber erlebe ich in diesem Jahr eine Art „Pfingstzeit“.

Eigentlich seltsam. Anders als zu Weihnachten mit der Adventszeit und zu Ostern mit der Passionszeit (und den Kalendern und Ritualen, die diese Zeiten begleiten) geht es Pfingsten ja gerade um das Überraschende, das Unverhoffte, was sich nicht über eine längere Phase ankündigt. Zudem bietet das Fest kaum Gegenständliches. Da ist wenig, was helfen könnte, das Geschehen nach und nach zu be-greifen. Was also könnte da überhaupt einer Entwicklung, einem langsamen Erkennen Gestalt geben, ohne dem pfingstlichen Geist zugleich das Impulsive, Unplanbare und Unverfügbare zu nehmen?

Es war die Initiative #wirsehenPfingstrot, die mich dazu inspiriert hat, dieser Frage nachzugehen, bewusst eine ganze Woche lang: und zwar draußen im Freien, mitten im Alltag und gerade dort überraschend – neu jeden Tag,

Suchend nach dem „Pfingstrot“ habe ich mich von Montag bis Samstag draußen an das genaue Hinschauen erinnern lassen, wusste am Morgen nicht, was ich in den nächsten Stunden finden würde und bin am Abend nie ohne die Freude an etwas bisher „Unentdecktem“ zu Bett gegangen.

Das Pfingstrot im Alltag hat sich als leuchtende Farbe offenbart und in Worte verwandelt, jeden Tag anders und stets als Versuch einer Annäherung, einer Beschreibung von dem, was sich dazu denken und deuten lässt.

Gehe ich jetzt mein „Pfingstrot-Tagebuch“ der vergangenen Woche nochmal durch, so sind es die Wörter für das, was geschieht, was schon wirkt und sich wandelt, die mich interessieren. Denn das Wirken des Geistes zeigt sich ja nicht in der Erstarrung, nicht so sehr in Substantiven, sondern eher in Verben, in der Bewegung, nicht in Fakten, sondern in einer lebendigen Hoffnung, nicht als Abschluss, sondern als Anfang, nicht im „So ist es“ sondern im  „So kann es sein“…

Was also kann sein? Mit mir, mit uns, mit der Welt, in der wir leben? Was geschieht mit uns und durch uns durch den Geist?

Ich lese in den Notizen einer Woche:

…vertrauen, lieben, wehen, wachsen, trotzen, schützen, gefährdet bleiben, wahrnehmen, verletzlich sein, retten, zutrauen, sich trauen, hinschauen, beflügeln, schmunzeln, einladen, besonnen, blühen, verstehen, verbinden, verändern, bewegen, spielen, sich wandeln, überraschen…

Und heute: es leuchtet – früh morgens – ein Fest.

 

Susanne Brandt / (Gedanken zu Corona im Mai 2020)

 

Susanne.brandt

Bedenkt und entdeckt das Leben in Lübeck oder unterwegs - am liebsten zu Fuß und in der Begegnung mit anderen. Lernt, schreibt, singt, erzählt, teilt und lässt sich jeden Tag vom Möglichen überraschen. Weitere Informationen: https://de.wikipedia.org/wiki/Susanne_Brandt