„Um (die Gesellschaft) zu verändern, bedarf es kreativer Menschen, die es verstehen, Gebrauch von ihrer Imagination zu machen…“Kreativ“ ist ein Bewusstsein, das ständig in Bewegung ist, fortwährend Fragen stellt, dort Probleme entdeckt, wo andere zufriedenstellende Antworten finden, das fließende Situationen bevorzugt, in denen andere nur Gefahren wittern, das fähig ist zu selbständigen und unabhängigen Urteilen…Dieser Prozess hat spielerischen Charakter.“ (Gianni Rodari, aus: Grammatik der Phantasie, S. 176)
Das Zitat von Gianni Rodari taugt gut als Einstimmung, um Menschen einen ersten Eindruck davon zu vermitteln, wie und warum Bibliotheken als einladende Räume, als Partnerinnen und Impulsgeberinnen mit Medien, Büchern und Geschichten vielfältige Chancen für Kreativität und Imagination öffnen – und damit zu einer nachhaltigen Entwicklung in der Gesellschaft beitragen können.
Die gute Nachricht dabei: Sie tun das nicht allein, sondern wissen sich unterstützt und eingebunden in Bildungslandschaften, in denen gemeinsames Engagement für Nachhaltigkeit möglich und nötig ist. Denn genau das ist ein Kerngedanke von Nachhaltigkeit: Es geht um Verbundenheit – mit der Welt, mit Menschen und untereinander.
Was das in der Zusammenarbeit und im Austausch mit anderen Engagierten konkret heißt, wollte ich an den vergangenen fünf Tagen erfahren und mitgestalten – zunächst beim Büchereitag der Katholischen Öffentlichen Büchereien in der Diözese Freiburg und anschließend beim Netzwerktreffen der geförderten Fonds-Projekte vom Rat für nachhaltige Entwicklung Berlin.
Geschichten mit schöpferischer und verändernder Kraft
Dr. Eugen Maier, Domkapitular i.R. In Freiburg, stellte zu Beginn des Büchereitags in seiner Ansprache sinngemäß heraus: Wenn Bibliotheken einen Raum schaffen, in dem Menschen Zeit miteinander teilen, verweilen, sich von Geschichten – alten wie neuen – anrühren lassen, dann könne darin eine schöpferische und verändernde Kraft erfahrbar werden. Aus ihr erwachse Besonnenheit im Handeln und Entscheiden. Eine Auseinandersetzung mit Vielfalt und Perspektivwechsel, mit Sinnfragen und Lebensgeschichten, wie sie durch zahlreiche Bücher, durch Kunst und Kultur immer wieder geschehe, trage zur Vergewisserung und Weiterentwicklung einer eigenen Haltung und Zivilcourage bei.
In zwei Workshops, basierend auf dem Projekt „Das weiße Blatt“, konnte anschließend mit rund 40 Teilnehmenden intensiv erarbeitet werden, wie sich das konkret im Sinne von Bildung für Nachhaltige Entwicklung (BNE) schon in kleinen Bibliotheken entfalten lässt.
Nachhaltigkeitsstrategie braucht solidarisches Engagement vieler Akteure
Um diese Frage ging es dann zwei Tage später auch in Berlin. Hier wurde einmal mehr deutlich, wie breit und eindrucksvoll das Engagement für Nachhaltigkeit in allen Bereichen der Gesellschaft ist: in Sportvereinen und Umweltverbänden, bei Kunstschaffenden, Mobilitäts- und Bauexperten, an Universitäten und in Dorfgemeinschaften, auf nationaler wie internationaler Ebene. Es ist unmöglich und im Sinne von Nachhaltigkeit auch nicht sinnvoll, hier einzelne Akteure in ihrer Verschiedenheit besonders hervorzuheben. Entscheidend ist das Gefühl der Verbundenheit und gegenseitigen Unterstützung und Ergänzung, gerade auch bei sehr unterschiedlichen Partnern.
Das spiegelt sich auch in der Organisationsstruktur wieder: Akteure aus ganz unterschiedlichen Bereichen begegnen sich auf Augenhöhe, vernetzen sich und helfen einander mit kollegialer Beratung und gegenseitiger Unterstützung.
Das geschieht zum einen durch solche Netzwerktreffen, zum anderen durch die Kooperation großer Verbünde, die es möglich machen, sich solidarisch und spartenübergreifend für gemeinsame Interessen auch politisch stark zu machen.
Gemeinsame Interessen in Kooperationen vertreten
Erfreulich ist, dass etwa seit 2018 mit dem Engagement, den Forderungen und Positionspapieren des Deutschen Kulturrates eine Haltung und differenzierte Auseinandersetzung in den Dialog eingebracht worden ist, die das solidarische Anliegen von Nachhaltigkeit verdeutlicht und der Vielfalt an Aufgaben Rechnung trägt, die nur als gemeinsame Herausforderung verstanden werden kann.
Bibliotheken gehören als Teil der Deutsche Literaturkonferenz zu den Akteuren, die auf diese Weise einerseits eine Rückenstärkung erfahren, gleichzeitig aber auch in einem ständigen Lernprozess bleiben. Vieles ist bereits erreicht – aber vieles ließe sich noch verbessern. Mut zu Veränderungen und eine selbstkritische Sicht auf Schwachstellen gehören bei diesem Prozess für alle dazu. Für Bibliotheken wie für alle anderen, die im Deutschen Kulturrat mit vertreten sind, erweisen sich die dafür formulierten Positionen und Forderungen als Orientierungsrahmen, zugleich aber auch als eine Herausforderung zur Verbesserung ihrer eigenen Arbeit.
Informationen brauchen Imagination für eine nachhaltige Entwicklung
Aus Erfahrungen und Forschungen vor allem im Bereich Bildung für nachhaltige Entwicklung weiß man, dass die Bereitstellung von Informationen allein als Indikator für Nachhaltigkeit nicht ausreicht. Erst in der Verknüpfung mit anderen Wegen der Wahrnehmung und des Erlebens – im Sozialen, im Kulturellen, in der Natur – tragen Informationen zu veränderten Haltungen und Handlungsweisen bei.
In dieser Erkenntnis liegt der Ansatz begründet, bei Nachhaltigkeit immer die gemeinsame Aufgabe verschiedener Akteure und das Wirken in interdisziplinären Netzwerken in den Mittelpunkt zu stellen.
Durch das mit Unterstützung des Rates für nachhaltige Entwicklung und in Kooperation mit dem BUND zunächst für zwei Jahre eingerichtete Projektbüro wird dieser solidarische Gedanke von Nachhaltigkeit einmal mehr gezielt umgesetzt und gefördert.
https://www.kulturrat.de/thema/nachhaltigkeit-kultur/projektbuero/
Aus dieser Zusammenarbeit ergeben sich gemeinsame Forderungen an die Landes- und Bundesregierungen, die die Bedeutung von Bildungslandschaften betonen und gemeinsame Anliegen auch im Interesse von Bibliotheken vertreten:
Die Wirkung solcher Initiativen für ein gutes Miteinander drückt sich bereits in der hohen Wertschätzung aus, die Bibliotheken wie auch andere Akteure, die sich mit konkreten Ideen und Projekten in diesen Prozess einbringen, durch persönliche Beratung, Förderung und Unterstützung erfahren.
Basis für eine lebendige Weiterentwicklung
Damit ist für die Weiterentwicklung der kulturpolitischen Debatte wie für die Fortschreibung der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie eine gute Basis für einen fruchtbaren und lebendigen Diskurs geschaffen, auf die sich Bibliotheken mit möglichen Forderungen und Verbesserungsvorschlägen konkret beziehen können. In dem nationalen Aktionsplan für BNE hat das bereits einen Niederschlag gefunden. Es bleibt abzuwarten, wie das in der Fortschreibung der Strategie zur BNE weiterhin zum Ausdruck kommt, die für Frühjahr 2020 angekündigt ist.
Und ganz unabhängig davon: Ideen und Initiativen zu neuen Formen der Kooperation für nachhaltige Entwicklung durch und mit Bibliotheken sind jederzeit willkommen. Es gibt ganz verschiedene Akteure, die sich auf ein solches Miteinander freuen, ihre Stärken dazu beitragen möchten und gemeinsame Vorhaben unterstützen könnten.
Susanne Brandt