Zum neuen Jahr: NACHdenken über VORsätze

„Wesentlich ist und bleibt die Durchlässigkeit für die Eindrücke von außen und – nicht zuletzt – die Offenheit für den Klang der inneren Stimme“ (aus: Ulrich Grober: Der leise Atem der Zukunft, oekom 2016)

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An der Flensburger Förde / Foto: S. Brandt

Ehrlich: Die sogenannten „guten Vorsätze“, die regelmäßig zum Jahresbeginn reichlich verkündet und ausgetauscht werden, machen mich ebenso regelmäßig nachdenklich. Warum kann ich persönlich mit „guten Vorsätzen“ so wenig anfangen? Sicher nicht, weil ich meine, es sollte alles so bleiben wie es ist – mich selbst eingeschlossen – und wäre an keiner Stelle „zum Guten/Besseren wandelbar“.

Vielleicht liegt es am Wort: „Vorsatz“ drückt für mich eine große Distanz zu meinem Inneren aus. Das, was ich mir vornehme, scheint sich (noch) außerhalb von mir zu befinden, in der Zukunft, noch nicht erreicht und somit auch noch nicht inwendig spürbar. Gesteckte Ziele sind eine Art „Sehnsucht auf Distanz“, vielleicht mit starken Wünschen oder Ehrgeiz verbunden, aber eben mit Abstand zu mir selbst bereits aus dem Prozess der Bewegung und Verwandlung herausgelöst: gesetzt, gesteckt, markiert, fokussiert. An Großherzigkeit denke ich bei Ehrgeiz nicht.

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An der Flensburger Förde II

Ja, auch ich wünsche mir oft einen Wandel, eine Bewegung und Veränderung „zum Guten“, an der ich mitzuwirken versuche. Nur vermag ich nicht schon vorher zu sagen, wie und wo das im Verlauf des Jahres geschehen kann und sich zeigen wird. Was ich aber beschreiben kann, ist alles das, was mir kostbar ist, was ich liebe, was ich mit Liebe tue, was mir „am Herzen liegt“.

Ich glaube: Vieles, was wir als Ziel oder Hoffnung mit ins neue Jahr nehmen, erfüllt sich deshalb nicht, weil es uns nicht erfüllt, wird nicht erreicht, weil es uns im Innern nicht erreicht – und andere Menschen deshalb auch nicht.

Ich stelle mir vor: Echte „Herzensanliegen“ verfolgen keinen Selbstzweck und dienen nicht vorrangig dem Eigennutz, sondern geschehen immer in Resonanz zum Leben, suchen eine Antwort auf das Leben und bleiben so auch anderen Menschen gegenüber ver-antwortlich.

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Flensburger Förde III

Was die „guten Vorsätze“ und die „Herzensanliegen“ gemeinsam haben: Man kann sie ins Tagebuch schreiben, in der Hosentasche mit sich herum tragen, beim Gehen vor sich hin singen…um sich immer mal wieder an ihre Kostbarkeit zu erinnern.

Und: Leicht und bequem lebt es sich auch mit den „Herzensanliegen“ nicht immer. Der „Weg des geringsten Widerstandes“ ist damit nicht gemeint. Aber vielleicht der Weg mit den intensivsten Eindrücken, tiefsten Erfahrungen und Begegnungen.

Wie heißt es doch im Zitat zu Beginn so schön: „Wesentlich ist und bleibt die Durchlässigkeit…“

Susanne Brandt

Susanne.brandt

Bedenkt und entdeckt das Leben in Lübeck oder unterwegs - am liebsten zu Fuß und in der Begegnung mit anderen. Lernt, schreibt, singt, erzählt, teilt und lässt sich jeden Tag vom Möglichen überraschen. Weitere Informationen: https://de.wikipedia.org/wiki/Susanne_Brandt