„Du weißt ja, wir leben vom Wunder“. Vision und Wirklichkeit beim Bücherbus-Projekt Bertholt Brecht

Foto: Panyarte

Sie mochte keinen Personenkult. Menschen, die sie gekannt haben, beschreiben sie als zarte und zähe Persönlichkeit  mit liebenswerter Hartnäckigkeit, die es sich – schon weit über 80 – nicht nehmen ließ, in einem Wasserfall zu baden, die sich ihr Leben lang für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung einsetzte und das in den letzten fast 30 Jahren ihres Lebens ganz konkret für die Deutsch-Nicaraguanische Bibliothek und den Bücherbus Bertholt Brecht tat. „Vom Wunder leben“, wie sie es häufig beschrieben haben soll, hieß vor allem: Visionen eine Chance geben und sich nicht entmutigen lassen von Sachzwängen und Bedenken, die schon so manche gute Idee haben sterben lassen, bevor sie sich so richtig entwickeln konnte. Auch bei ihr fing das fast 30 Jahre währende Engagement in Nicaragua mit eine guten Idee oder vielmehr mit einer Vision an, die ängstliche Gemüter wohl bald wieder verworfen hätten:

Foto: Panyarte

Mit 60 Jahren in Frankfurt als Bibliothekarin eben in den Ruhestand verabschiedet, entdeckte sie in Nicaragua eine neue Herausforderung, der sie sich bis zum Ende ihres Lebens mit großer Leidenschaft und einer erstaunlichen Portion Mut  widmete. Noch im März dieses Jahres konnte ihr Lebenswerk, der von ihr begründete und über so viele Jahre betreute Bücherbus Bertholt Brecht sein 25jähriges Jubiläum feiern. Da hatte sie die Verantwortung für das Projekt bereits in die Hände des Vereins Pan y Arte gelegt, um seine Kontinuität zu sichern.

Ende August ist die außergewöhnliche Bibliothekarin fast 90jährig verstorben. Ihre Ausstrahlung und Beharrlichkeit, die sie – so die Erinnerungen vieler ihrer Weggefährten – in das Projekt eingebracht hat, sind nicht zu ersetzen. Aber etwas davon brennt in vielen Herzen weiter und ermutigt dazu, dem Bücherbus-Projekt eine Zukunft zu geben. Denn auch wenn die rollende Bücherei längst wunderbar lebendige Realität für viele Menschen geworden ist, gehört zu dem, was Elisabeth Zilz an Impulsen eingebracht hat, immer die Vision der Weiterentwicklung mit den Menschen und für die Menschen. So gilt es ebenso, sich von ihrer visionären Kraft anstecken zu lassen. Erinnern und Bewahren ist im Sinne von Elisabeth Zilz keine Denkmalpflege, sondern bleibt Pionierarbeit, um auch in Zukunft die sozialen Herausforderungen in Nicaragua wahrzunehmen und mitzugestalten.

„Eine Vision werden wir nie erreichen. Aber sie ist das, was uns bewegt und immer wieder den nächsten Schritt tun lässt.“, soll Elisabeth Zilz mal gesagt haben. Das gilt es zu beherzigen.

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Und im Online-Kondolenzbuch, das nach ihrem Tod mit zahlreichen Beiträgen gefüllt worden ist, zitierte eine, die sie vielleicht gut kannte:

…Und im Vorbeigehn,
ganz absichtslos,
zünde ich die ein oder andere
Laterne an
In den Herzen am Wegrand.

 

Würdige Worte für eine Frau, die keinen Personenkult mochte.

Susanne Brandt, im Oktober 2012

P.S. Wer das Projekt Bücherbus Bertholt Brecht unterstützen möchte, findet auf der Seite des Trägervereins Pan y Arte alle dazu nötigen Informationen und weitere Hintergrundberichte: www.panyarte.de

Susanne.brandt

Bedenkt und entdeckt das Leben in Lübeck oder unterwegs - am liebsten zu Fuß und in der Begegnung mit anderen. Lernt, schreibt, singt, erzählt, teilt und lässt sich jeden Tag vom Möglichen überraschen. Weitere Informationen: https://de.wikipedia.org/wiki/Susanne_Brandt