„Gleich sind sie verflogen die zwitschernden Nächte.
Wenn nicht ein Verliebter in Reime sie brächte…“
– dieses Zitat hat sich der Dichter Max Dauthendey offenbar selbst zu Herzen genommen und sich in zahlreichen Gedichten so manchen Reim auf die Liebe gemacht. Dabei hätte er vielleicht nie die Bilder und Worte dafür gefunden ohne den Wald mit seinen Licht- und Schattenseiten, ohne das geheimnisvolle Flüstern der Blätter und ohne die Leichtigkeit der Schmetterlinge und Vögel….
Drei Beispiele zum Valentinstag:
Die Äste der Bäume sind Flöten geworden
Die Äste der Bäume sind Flöten geworden,
Die Vögel begleiten mich.
Auf der Welt habe ich nur einen Weg,
Den auf dem Du mir entgegenkommst.
Deine Augen machen meinen Tag;
Sie sitzen wie ein Königspaar,
Und wer an ihnen vorübergeht
Legt Stirn und Herz vor ihnen nieder.
Max Dauthendey . 1867 – 1918
Ich möcht‘ wie ein Baum
Ich möcht‘ wie ein Baum mich am Weg aufpflanzen,
Mit jedem Blatt in der Liederluft tanzen.
Ich möchte mir Flügel schaffen wie Finken
Und in der Liedluft hinfliegend versinken.
Ein Lied verschiebt Berge und Dächer und Wände;
Ich möchte im Mai jetzt ein Nachtsänger sein
Und säng‘ mich im Schlaf zu der Liebsten hinein.
Ich möchte, ich möchte, ich möchte ohn‘ Ende —
Und hab‘ zum Umfangen nicht mehr als zwei Hände.
Max Dauthendey . 1867 – 1918
Die Welt hämmert weiter wie Spechte
Der Schierling spinnt sich über das Gras,
Die Blüte fliegt ab, die am Baum lustig saß.
Die Erde wird grün wie ein Lampenschirm,
Und kühn tritt der Sommer hin vor die Rampen.
Kaum daß ich am Weg den Zweck mal vergaß,
Und unter dem Flieder beim Maikäfer saß,
Gleich sind sie verflogen die zwitschernden Nächte.
Wenn nicht ein Verliebter in Reime sie brächte,
Die Welt hämmert‘ weiter wie Spechte.
Max Dauthendey . 1867 – 1918