Gerechtigkeit und Menschenrechte – dass darin eine große, manchmal auch belastende Verantwortung liegt, steht außer Frage. Dass wir darum umso mehr ringen müssen, schien mir bislang zu den sicher geglaubten solidarischen Grundsätzen in Deutschland und Europa zu gehören.
Das aber hat sich geändert.
Seit Monaten spüre ich eine eskalierende Gefährdung dieser menschenrechtlichen Grundsätze, um deren Schutz eben nicht mehr mit allen Kräften gerungen wird. Deren Aushöhlung selbstgefällig, von zynischen Kommentaren begleitet, in Kauf genommen, wenn nicht sogar berechnend einkalkuliert wird.
Ich empfinde das als einen tiefen Vertrauensbruch allen Menschen gegenüber, die sich mit den menschenrechtlichen Grundsätzen Europas identifizieren und daraus Hoffnung und Motivation für solidarisches Leben, Denken und Handeln in der Welt schöpfen.
Ich empfinde das zugleich als Auftrag, deutlicher als sonst für den Schutz von Menschenrechten einzustehen und zu kämpfen – denn menschenrechtliches Engagement ist nicht allein auf dem Mittelmeer gefragt, sondern tagtäglich vor der eigenen Haustür. Dort bekommt das zynische Hetzen und Relativieren angesichts von fliehenden und ertrinkenden Menschen schleichend, aber spürbar Rückendeckung von Medien, Möchtegernmächtigen und Meinungsmachern, verändert die Sprache, verändert das Denken, verändert das Handeln…
Und doch – viele kennen ihn: diesen Hunger nach Gerechtigkeit. Viele lehnen sich eben nicht satt zurück, sondern setzen sich der Sehnsucht nach Gerechtigkeit aus, die einem manchmal keine Ruhe lässt, aber Hoffnung gibt. Immer wieder.
Und dazwischen wachsen sie – diese Rosen! Nahrung für die Seele, die sich nach dem sehnt, was jeder Menschen als Würde und Anmut in sich trägt und zur Entfaltung bringen möchte.
Heute wie in jedem Jahr am 17. Juli – mitten in der Rosenzeit – ist der Internationale Tag der Gerechtigkeit! Er wurde als Gedenktag 2010 von den Vereinten Nationen (UN) geschaffen, um an das sogenannte Rom-Statut zu erinnern. Mit diesem Statut wurden die Funktion, Struktur und Regeln für die Rechtsprechung des heutigen Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) – engl. International Criminal Court (ICC) in Den Haag festgelegt. Der internationale Tag der Gerechtigkeit wird vor allem von verschiedenen Organisationen genutzt, um auf Verstößen gegen Menschenrechte aufmerksam zu machen. Das ist gerade in diesen Tagen nötiger denn je – wie folgender Beitrag von Pro Asyl verdeutlicht. Judith Kopp schreibt:
“Angesichts der Schreckensnachrichten aus Libyen und den Todesfällen an Europas Grenzen sind die selbstgefälligen Erfolgsmeldungen aus Europa menschenverachtend. An Wissen um die eklatanten Rechtsverletzungen gegen Geflüchtete in Libyen und die allgemeine Gewaltsituation im Land mangelt es nicht. Es ist vielmehr eine neue Dimension der Skrupellosigkeit, mit der die EU und ihre Mitgliedstaaten die Flucht- und Migrationskontrolle in Transit- und Herkunftsländer verlagern: Sehenden Auges wird menschliches Leid in Kauf genommen. Europa versucht, sich von menschenrechtlichen und solidarischen Grundsätzen freizukaufen. Der Ruf nach einem anderen Europa ist aktueller denn je: einem Europa, das die erkämpften Rechte von Schutzsuchenden stärkt, statt sie weiter auszuhöhlen und das im Bewusstsein seiner historischen und aktuellen Verantwortung Ankommen ermöglicht und Schutz und Teilhabe bietet.”
Im Bewusstsein von Verantwortung Ankommen ermöglichen, Schutz und Teilhabe bieten – so lassen sich menschenrechtliche und solidarische Grundsätze auf der Basis gemeinsamer europäischer Werte formulieren. Und dahinter gehört ein Doppelpunkt: als Einladung an alle, mit Engagement, Hoffnung und Wertschätzung in dieser Verantwortung wieder ein gemeinsames Anliegen zu entdecken.
Susanne Brandt
Liedblatt als Datei: Hunger nach Gerechtigkeit
Kompletter Text und Quelle des Zitats von Judith Kopp / Pro Asyl:
https://www.proasyl.de/hintergrund/libyen-die-neue-skrupellosigkeit-abgruende-europaeischer-fluechtlingspolitik/