In Lemvig am Limfjord gibt es ein Museum für religiöse Kunst. Die Dauerausstellung zeigt viele biblische Themen der dänischen Malerin Bodil Kaalund, aber auch alte wie neuere Kunst aus Grönland, der sie sich intensiv verbunden fühlte. Die Stoffe und Bilderwelten beider Kulturkreise sind verschieden – und doch lassen sich Bezüge entdecken, wenn es um elementare Erfahrungen mit der Natur geht: hier Noah, noch unter dem Eindruck der Flut in staunender Hinwendung zur Taube, dort mehr als eine imaginäre Berührung zwischen Hand und Schnabel – eine Verschmelzung der Formen mit dem ganzen Körper, Verwandlung und Neuwerdung in anderer Gestalt.
Was beide Motive aus der Mythologie in Spannung zueinander bringt: In einem Moment der Neuwerdung und Verwandlung tritt die Verbundenheit zwischen Mensch und Vogel deutlich in Erscheinung, wird zum Ausgangspunkt für das Kommende, erlöst die menschliche Schwere durch die Vorstellung und Vision des Aufgehobenseins.
Am nächsten Tag:
Ich beobachte die ziehenden Gänse am herbstlichen Himmel. Grenzenlose Verbundenheit auch hier, vielleicht aus Grönland kommend und nun auf der Ostatlantikroute unterwegs Richtung Süden. Da ist das Wattenmeer mit seinen Schlick- und Feuchtgebieten ein willkommener Rastplatz für den kräftezehreneden Flug.
Zugvögel mit ihren imposanten Formationen und erstaunlichen Orientierungsfähigkeiten zeigen uns auf besonders eindringliche Weise, wie sehr wir eingebunden sind in globale Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Klimazonen, wie jeder Lebensraum verlässlich und im wiederkehrenden Rhythmus der Jahreszeiten zum Überleben der Arten beiträgt. Und wie fragil dieses kostbare Miteinander der Elemente und Lebewesen zugleich ist.
Ein Erinnern an die Bilder der beiden Künstlerinnen:
Ziehende Vögel
bleiben mit uns verbunden
im Wandel – auch wir
Susanne Brandt
Mehr zum Thema Vogelzug: https://www.nationalpark-wattenmeer.de/wp-content/uploads/2022/01/Broschuere_Vogelzug_web.pdf
