Zum Internationalen Kinderbuchtag: Geschichten vermitteln Beziehungserfahrungen

Deutlicher als sonst ist mir in diesem Jahr bewusst geworden, wie Menschen, die sich weltweit für Leseförderung und für das Kinderbuch engagieren, einander Mut und Hoffnung schenken können.

Im Grußwort zum heutigen Internationalen Kinderbuchtag, das diesmal aus Slowenien kommt, wird treffend beschrieben, wie sehr Bücher den Hunger der Seele und des Geistes stillen können. Das gilt immer – aber das gilt ganz besonders in Zeiten, da Kinder und Familien durch die Pandemie in großer Sorge leben – in Sorge um Gesundheit, um soziale Sicherheit, um ihre Gemeinschaft und die Chancen für Bildung.

Gerade heute habe ich per Mail und Telefon einen regen Austausch erlebt mit Menschen, die in verschiedenen Teilen der Welt eben das auf unterschiedliche Weise tun und unterstützen: Kindern Zugang zu Kinderbüchern und zu Bildung zu ermöglichen. Überall auf der Welt geschieht das Tag für Tag, manchmal mit, aber oft auch ohne oder nur mit wenig staatlicher Hilfe. Und immer sind es engagierte Menschen, starke Persönlichkeiten, die solche Initiativen mit großer Leidenschaft in Gang bringen, lebendig gestalten und weiterentwickeln.

Mit diesen und anderen Erfahrungen speziell zur momentanen Krisensituation können wir einander helfen und Mut machen.  Darüber soll in der Mai-Ausgabe unserer Fachzeitschrift BuB zur Corona-Krise in Bibliotheken als thematischer Schwerpunkt ausführlich berichtet werden. Anlässlich des heutigen Kinderbuchtages möchte ich hier nur wenige Aussagen und Eindrücke des Austausches herausgreifen.

In einer Video-Botschaft wandte sich Freshta Karim, die junge Initiatorin und Leiterin eines Bücherbusses in Kabul, der – wie nahezu alle Büchereien – derzeit seinen Betrieb einstellen muss, an alle Menschen, vor allem an Kinder, die diese wertvolle Gelegenheit für Bildung und Leseförderung jetzt so schmerzlich vermissen, mit den Worten:

„Ich weiß, dass wir eine schwere Zeit durchmachen. Aber was können wir in dieser Situation tun? Ich habe mich das immer wieder gefragt. Und dann habe ich meine farbenfrohen Tücher getragen, ein Buch genommen, angefangen es Kindern vorzulesen und es auf unserer Facebook-Seite zu teilen. Ich weiß nicht, ob es Kindern gefällt oder nicht, ob es sie erreichen wird oder nicht. Wir werden es bald mit euren Kommentaren herausfinden. Aber eins ist mir klar: Corona trifft Kinder mehr als uns. Es trifft sie in den besten Lebensjahren, die für ihr Wachstum und ihre geistige Entwicklung entscheidend sind. Wie können wir ihnen helfen? Wir wissen es nicht sicher, aber wir können etwas versuchen: Nimm dein Lieblingskinderbuch, lies es, nimm es auf und teile es mit uns und lass uns einfach sehen, ob es den Kindern gefällt.”

Eine ähnliche Initiative hat in Serbien bereits seinen Anfang genommen. Daniela Skokovic berichtet: “Ich habe jeden Tag mit dem Lesen von Kinderbüchern um 18 Uhr im Fb-Livestream begonnen. Ich wählte diese Live-Form und nicht Youtube,  weil  ich hoffe, dass auf diese Weise Reaktionen von meinen Lesern per FB-Kommentar kommen. Denn für mich ist Interaktion sehr wichtig. Seit fast 14 Tage lese ich jeden Abend, spreche aber auch über verschiedene Themen, die hilfreich für Eltern und Lehrer sein könnten. Heute berichtete unser nationales Fernsehen darüber und nannte mich die Virtuelle Bibliothekarin. Jeden Tag bekomme ich eine Menge Dankesbotschaften von Eltern und Kollegen, da sie es für wichtig halten, dass Kinder weiterhin Unterhaltung und Verbindung mit ihrer Bibliothek haben, auch wenn das momentan nur online geht.“

Im Austausch mit Pearl Afua Acheampong, einer jungen Initiatorin  einer Leseförder-Initiative in Ghana oder in dem, was ich aus Italien bislang erfahren habe wie auch aus dem Engagement für Bildung, Kultur und Leseförderung in den Projekten von Pan y Arte in Nicaragua erreichten mich ähnliche Eindrücke:

Zweifellos gewinnen jetzt durch die Ausgangs- und Kontaktverbote digitale Angebote an Bedeutung und es muss sich zeigen, ob in allen Gegenden die technischen Voraussetzungen gegeben sind, damit virtuelle Vorleseangebote tatsächlich die Kinder erreichen.

Entscheidender ist aber noch etwas anderes: Die virtuellen Vorleseangebote sind offenbar tief geprägt von der persönlichen Beziehung, die sich zuvor über eine lange Zeit zwischen den Vorlesenden und den Kindern entwickelt hat. Vielleicht ist nicht mal das gewählte Buch so entscheidend. Entscheidend ist die unausgesprochene Botschaft an die Kinder: Wir können uns gerade nicht treffen, aber wir denken an euch. Wir bleiben mit euch verbunden und wir teilen weiterhin unsere gemeinsame Liebe zur Sprache und zur Literatur.

Daran zeigt sich einmal mehr, wie wichtig zu allen Zeiten die Verlässlichkeit und Kontinuität von Leseförder-Angeboten für Kinder ist. Für mich ist das zum Beispiel ein Grund, die Projekte bei Pan y Arte in Nicaragua dauerhaft im Rahmen meiner persönlichen Förder-Initiative „Bücher für Bücher“ zu unterstützen.

Zur aktuellen Lage sagt der Pan y Arte Vorsitzende Roberto Deimel:

„Gerade in dieser Situation kann unser größtes Projekt, die Casa de los Tres Mundos, als anerkannte und seit vielen Jahren zuverlässig arbeitende Institution eine wichtige Rolle spielen. Denn es geht jetzt auch darum, den Menschen in Nicaragua Halt und Zuversicht zu geben: Die Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen brauchen die Casa nun mehr denn je als Orientierungspunkt und Ort der Kommunikation, selbst wenn sie überwiegend virtuell erfolgen muss. Zum Schutz aller haben unsere Projekte die Türen für den Publikumsverkehr geschlossen und ihre Besuche in den Städten und Dörfern des Landes ausgesetzt. Doch viele Kurse finden derzeit online statt. Kreativität kennt keine Grenzen!”

Weitere Informationen und Spendenmöglichkeiten für Pan y Arte: http://www.panyarte.de/

Hier wie in jeweils individueller Weise auch in den anderen Projekten und Bibliotheken gilt: Kinderliteratur in Verbindung mit einer Leseförderung, die Kinder in ihrer jeweiligen Lebenssituation einfühlsam begleitet, ermutigt und schützt, erweist sich weltweit als eine elementare Beziehungsarbeit und eine tragende Basis auch in schwierigen Zeiten. Digitale Brücken, die jetzt vielerorts gebaut werden, haben in dieser langjährigen Beziehungsarbeit ihr Fundament.

Hilfe und Unterstützung für Krisenzeiten beginnt also schon lange vorher in der Sicherung von verlässlichen Bildungsangeboten und muss nach der Krise zum dauerhaften Fortbestand solcher Initiativen beitragen.

Ein ausführlicher Bericht zu Initiativen und Bibliotheken in den genannten Ländern, speziell mit ihren Angeboten in dieser Krisenzeit, folgt im Heft 5 der Fachzeitschrift BuB.

 

Susanne Brandt

 

 

Susanne.brandt

Bedenkt und entdeckt das Leben in Lübeck oder unterwegs - am liebsten zu Fuß und in der Begegnung mit anderen. Lernt, schreibt, singt, erzählt, teilt und lässt sich jeden Tag vom Möglichen überraschen. Weitere Informationen: https://de.wikipedia.org/wiki/Susanne_Brandt