Den Weg zum Atelier des Malers Otto Niemeyer-Holstein (geb. 1896 in Kiel, gest. 1984 in Lüttenort/Usedom) in Lüttenort auf Usedom zwischen Koserow und Zempin sucht man am besten zu Fuß entlang der Wasserkante. Hier, wo sich die Insel zwischen Achterwasser und Ostsee zu einem dünnen Streifen Land verengt, weitet sich der Blick und das Denken angesichts des erhaltenen Künstlerrefugiums mit Galerie, Atelierräumen und einem geradezu verwunschen wirkenden Garten.
Zur eigentümlichen Atmosphäre dieses Ortes tragen besonders die zwischen Wasserläufen, Hecken und alten Stauden verborgenen Skulpturen von verschiedenen Künstlerfreunden bei, die an jene Zeiten erinnern, zu denen dieser Ort vor allem Rückzug bot, der Begegnung und der Inspiration diente – und als Tor zum nahe gelegenen Strand, der damals wohl noch nicht durch eine so stark befahrene Bäderstraße vom Grundstück getrennt lag.
„Der Strand ist die Schwelle, wo sich die Dinge stoßen“, beschrieb Otto Niemeyer-Holstein in dem 1982 gedrehten Dokumentarfilm „…und der Strand ist meine große Geliebte“ seine innige Beziehung zum Meer. Wo die Elemente aufeinander treffen, sich aneinander reiben, sich miteinander verändern und formen, fand er eine unerschöpfliche Quelle für seine Kunst und ein Gleichnis für das Leben und das Schöne in der Welt, das gerade dort spannend ist, wo etwas nicht im gleichförmigen Ebenmaß verläuft, sondern sich immer wieder bricht.
Die Uferzone am Meer erzählt bis heute davon – keineswegs nur mit großen Wellenbrechern, die am sanft anmutenden Ostseestrand eher selten sind, sondern vielmehr durch die stetigen kleinen Bewegungen. Der etwa 8 km lange Weg am Strand zwischen Ückeritz und Zempin gehört zu den eher stillen, naturbelassenen Abschnitten der Insel und eignet sich als solcher gut, um fern der touristischen Hochburgen den leisen Begegnungen von Wasser und Land im Gehen nachzuspüren.
Wer am Ende von hier den Pfad nach Lüttenort hinter der störenden Hauptstraße findet, wird mit der Ruhe des verwunschenen Gartens und seinen steinernen wie lebendigen Gästen belohnt – und ahnt, dass das Refugium, ganz im Sinne des Künstlers, bis heute ein Ort der Begegnung von Menschen und Gedanken geblieben ist.
Weitere Informationen: http://www.atelier-otto-niemeyer-holstein.de/content/biografie
Susanne Brandt, Mai 2013